Entscheidungsstichwort (Thema)

Geltendmachung der in den Abrechnungen ausgewiesenen Lohnsteuer- und Solidaritätszuschlagsbeträge durch einen deutsch-französischen Grenzgänger gegenüber dem Insolvenzverwalter

 

Leitsatz (redaktionell)

Einem deutsch-französischen Grenzgänger stehen Ansprüche auf Zahlung von Lohnsteuer- und Solidaritätszuschlagsbeiträgen entsprechend erteilten Abrechnungen als sonstige Masseverbindlichkeit gem. § 55 Abs. 2 S. 2 i.V. mit S. 1 InsO unter Beachtung des Art. 13 Abs. 5 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen zu.

 

Normenkette

InsO § 55 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Saarbrücken (Entscheidung vom 18.03.2011; Aktenzeichen 3 Ca 378/10)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Saarbrücken vom 18.03.2011 - 3 Ca 378/10 - wie folgt abgeändert:

(1) Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin für die Monate September 2009 bis November 2009 mit einem Gesamtbetrag in Höhe von 1.830,66 € netto nachzuvergüten nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz

aus 606,00 € seit dem 1. Oktober 2009

aus weiteren 606,00 € seit dem 1. November 2009

sowie

aus 618,66 € seit dem 1. Dezember 2009

(2) Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Berufungsbeklagte und erstinstanzliche Beklagte.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten vorliegend darüber, ob die Klägerin als deutsche Staatsbürgerin mit Wohnsitz im Grenzgebiet Frankreich zu Deutschland die bei Berechnung des Insolvenzgeldes fiktiv ermittelten Abzüge für Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag als sonstige Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Absatz 2 Insolvenzordnung gegen den Beklagen als Insolvenzverwalter geltend machen kann.

Die am ....1972 geborene Klägerin war in der Zeit vom 15.6.2006 bis 31.11.2009 bei der Gemeinschuldnerin beschäftigt. Ihr Verdienst lag zuletzt bei 3.100,00 Euro brutto pro Monat, zuzüglich eines Zuschusses zur vermögenswirksamen Anlage von 22,83 Euro brutto pro Monat. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die ihren Wohnsitz im Grenzgebiet zwischen Frankreich und Deutschland auf französischem Boden habende Klägerin nach dem Doppelbesteuerungsabkommen mit Frankreich den Grenzgängerstatus zuerkannt bekommen hat.

Mit Beschluss vom 21.9.2009 des Amtsgerichts Saarbrücken, Aktenzeichen 112 IN 55/09 wurde der Beklagte zum sogenannten starken vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Mit Beschluss vom 1.12.2009 des Arbeitsgerichts Saarbrücken erfolgte dann die endgültige Bestellung des Beklagten zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Gemeinschuldnerin. Für den Zeitraum September bis einschließlich November 2009 wurde der Klägerin, die ihre Arbeitsleistung weiterhin erbracht hat in dieser Zeit, die Vergütung in Höhe des zu erwartenden Insolvenzgeldes von dritter Seite vorfinanziert. Hierzu wurde mit der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit wie auch des Beklagten für den jeweiligen Monat ein Forderungskaufvertrag mit der Bank abgeschlossen. So kam es zu Kaufverträgen unter gleichzeitiger Forderungsabtretung des Anspruchs auf Insolvenzgeldzahlung für den Zeitraum 1.9. bis 30.9.2009 am 22.9.2009 über das Nettogehalt in Höhe von 1.872,75 € (vgl. Bl. 19 d.A.). Ein weiterer Vertrag wurde für den Zeitraum 1.10. bis 31.10.2009 am 20.10.2009 über einen Nettogehaltsbetrag von 1.872,75 € (vgl. B. 20 d.A.) abgeschlossen. Ein dritter Vertrag wurde sodann für den Zeitraum 1.11. bis 30.11.2009 am 17.11.2009 über einen Nettogehaltsbetrag in Höhe von 1.916,77 € abgeschlossen (vgl. Bl. 21 d.A.). Alle Verträge sind bis auf die Angabe des jeweiligen Zeitraums und des Nettogehaltsbetrages ansonsten inhaltsgleich formuliert. Es wurde dann auch ein entsprechender Antrag auf Insolvenzgeld gestellt. Die Klägerin erhielt Gehaltsabrechnungen für die jeweiligen Zeiträume September 2009 vom 1.10. 2009 (vgl. Bl. 4 d.A.) und Oktober 2009 vom 27.10.2009 (vgl. Bl. 5 d.A.). Hierbei wurde im Unterschied zur Abrechnung aus dem August 2009 (vgl. Bl. 7 d.A.) unter der Rubrik gesetzliche Abzüge ein Abzug für die Lohnsteuer in Höhe von 574,41 € sowie ein Solidaritätszuschlag in Höhe von 31,59 € insgesamt also 606,00 € rechnerisch ausgewiesen. Auch in der Abrechnung für den Monat November 2009 vom 1.12.2009 (vgl. Bl. 6 d.A.) sind wieder als gesetzliche Abzüge Lohnsteuer mit 586,41 € und Solidaritätszuschlag mit 32,25 € insgesamt also 618,66 € für diese beiden Positionen ausgewiesen.

Die Klägerin machte mit Schreiben vom 28.1.2010 über ihre Prozessbevollmächtigte (vgl. Bl. 8 - 9 d.A.) diese in den Abrechnungen ausgewiesenen Lohnsteuer- und Solidaritätszuschlags-Beträge für die Monate September und Oktober 2009 in Höhe von jeweils 606,00 € netto sowie für den Monat November 2009 in Höhe von 616,66 € netto als sonstige Masseverbindlichkeit geltend. Von Seiten des Beklagten wurde jedoch ein Ausgleich abgelehnt.

Die Klägerin hat in erster Instanz zunächst ihrer Rechtsansicht Ausdruck ve...

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