Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksame Vertragsklausel zur Kürzung von Sonderzuwendungen. Klage einer Assistentin der Geschäftsleitung auf Zahlung von Weihnachts- und Urlaubsgeld innerhalb des zeitlichen Rahmens der Elternzeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Tatsache, dass die Arbeitnehmerin über das gesamte Kalenderjahr als Folge der von ihr in Anspruch genommenen Elternzeit keinerlei Arbeitsleistung auf der Basis ihres Arbeitsvertrags erbracht hat, berechtigt die Arbeitgeberin grundsätzlich nicht dazu, eine Kürzung einer arbeitsvertraglich vereinbarten Sondervergütung in Form des Weihnachtsgeldes vorzunehmen, wenn dieser vertraglich festgelegten Sondervergütung in Form des Weihnachtsgeldes der ausschließliche Entgeltcharakter fehlt.

2. Wird die Sonderzuwendung oder Sonderzahlung als eine von der eigentlichen Vergütung unabhängige Zahlung gewährt, weil damit gerade nicht allein bereits in der Vergangenheit erbrachte Dienste entlohnt werden sollen, liegt Entgelt im weiteren Sinne vor; ohne Hinzutreten zusätzlicher Vereinbarungen zwischen den Parteien ist die in der Vergangenheit vor dem Tag der Auszahlung fehlende Arbeitsleistung nicht geeignet, der Arbeitgeberin ein Recht zur Kürzung zuzubilligen.

3. Eine arbeitsvertragliche Kürzungsklausel stellt eine unangemessene Benachteiligung der Arbeitnehmerin im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar, wenn die Formulierung der Vertragsklausel nicht nach der Ursache für das Auftreten von Fehlzeiten oder von Zeiten des Ruhens des Arbeitsverhältnisses unterscheidet, so dass die verallgemeinernde Betrachtung des Auftretens von Fehlzeiten wie auch des Ruhens des Arbeitsverhältnisses als alleinige Berechtigung zur Durchführung von Kürzungen auch Beschäftigungsverbote kraft Gesetzes nach den §§ 3 und 6 MuSchuG mit einschließt.

 

Normenkette

BGB § 307 Abs. 1 S. 1, § 611 Abs. 1; MuSchuG § 3; MuSchG § 6

 

Verfahrensgang

ArbG Saarlouis (Entscheidung vom 18.11.2014; Aktenzeichen 1 Ca 29/14)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Saarlouis vom 18. November 2014 - 1 Ca 29/14 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte und Berufungsklägerin.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten vorliegend über das Bestehen eines Anspruchs der Klägerin auf Zahlung von Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld innerhalb des zeitlichen Rahmens der von der Klägerin genommenen Elternzeit.

Die 1980 geborene Klägerin ist seit dem 01.09.2009 als kaufmännische Angestellte in der Funktion einer Assistentin der Geschäftsleitung bei der Beklagten beschäftigt. Grundlage bildete zunächst der befristete Arbeitsvertrag vom 17.11.2008 (vgl. Bl. 5-12 d.A. = Bl. 30-37 d.A.). In diesem Vertrag war zum Thema Sondervergütung in § 6 folgende Regelung enthalten:

§ 6 Sondervergütung

(1) Die Arbeitnehmerin erhält einmal jährlich eine Gratifikation, die zusammen mit dem Gehalt für den Monat November fällig ist (Weihnachtsgeld).

(2) Bei dieser Weihnachtsgratifikation handelt es sich um eine freiwillige Leistung, die ohne Anerkennung einer Rechtspflicht gewährt wird und auch bei wiederholter Zahlung keinen Rechtsanspruch für die Zukunft begründet. Der Arbeitgeber behält sich vor, immer wieder neu über die Leistungsgewährung und/oder deren Höhe zu entscheiden.

(3) Der Anspruch setzt voraus, dass das Arbeitsverhältnis am 01.11. des jeweiligen Kalenderjahres ungekündigt besteht und auch kein Aufhebungsvertrag geschlossen wurde. Andernfalls wird ein Weihnachtsgeld nicht, auch nicht zeitanteilig gezahlt.

(4) Der Anspruch auf die Weihnachtsgratifikation ist ebenfalls ausgeschlossen, wenn das Arbeitsverhältnis nicht über den 31.03. des der Auszahlung folgenden Kalenderjahres hinaus fortbesteht.

(5) Sämtliche Fehlzeiten während des Kalenderjahres mindern die Zahlung des Weihnachtsgeldes um 1/60 je Fehltag. Als Fehlzeiten gelten auch Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis ruht.

(6) Die Arbeitnehmerin ist verpflichtet, das Weihnachtsgeld zurückzuzahlen, wenn sie bis zum 31.03. des auf die Auszahlung folgenden Kalenderjahres ausscheidet.

Dieser befristete Arbeitsvertrag wurde mit Wirkung zum 01.07.2009 abgelöst durch den zwischen den Parteien unbefristet abgeschlossenen Arbeitsvertrag vom 18.06.2009 (vgl. Bl. 13-20 d.A. = Bl. 38-45 d.A.). Auch in diesem Vertrag befand sich in § 6 eine Vereinbarung zwischen den Parteien zur Frage des Umgangs bzw. der Gewährung der Sondervergütung. Der Text dieser Vereinbarung lautet:

§ 6 Sondervergütung

(1) Die Arbeitnehmerin erhält einmal jährlich eine Gratifikation, die zusammen mit dem Gehalt für den Monat November fällig ist (Weihnachtsgeld).

(2) Bei dieser Weihnachtsgratifikation handelt es sich um eine freiwillige Leistung, die ohne Anerkennung einer Rechtspflicht gewährt wird und auch bei wiederholter Zahlung keinen Rechtsanspruch für die Zukunft begründet. Der Arbeitgeber behält sich vor, immer wieder neu über die Leistungsgewährung und/oder deren Höhe zu entscheiden.

(3) Der Anspruch setzt voraus, dass das Arbeitsverhältnis ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge