Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts nach dem Prozesskostenhilfebewilligungsbeschluss. Bewilligungsbeschluss und Mehrvergleich. Keine Beschlussergänzung nach Ablauf der Rechtsmittelfrist

 

Leitsatz (amtlich)

1. Gemäß § 48 Abs. 1 RVG bestimmt sich der Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts nach dem Beschluss, durch den die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist.

2. Auch wenn die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Mehrvergleich konkludent beantragt war, erfasst der Bewilligungsbeschluss den Mehrvergleich nur dann, wenn sich dies aus dem Tenor oder den Gründen des Beschlusses ergibt.

 

Leitsatz (redaktionell)

Hat das Arbeitsgericht den konkludent gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Mehrvergleich unbeabsichtigt übergangen, ist eine Ergänzung dieses Beschlusses nach § 321 ZPO, der auch auf Beschlüsse anzuwenden ist, nicht mehr möglich, wenn die Zwei-Wochen-Frist ab Zustellung des Bewilligungsbeschlusses verstrichen ist.

 

Normenkette

RVG § 48 Abs. 1, § 55 Abs. 1, § 56 Abs. 2, § 33 Abs. 3; ZPO § 321

 

Verfahrensgang

ArbG Magdeburg (Entscheidung vom 19.11.2021; Aktenzeichen 8 Ca 861/21)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Bezirksrevisorin vom 27.12.2021 wird unter Zurückweisung der Erinnerung der Klägervertreterin vom 17.09.2021 der Beschluss des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 19.11.2021 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 10.03.2022 - 8 Ca 861/21 - aufgehoben.

 

Gründe

A.

Mit seiner beim Arbeitsgericht Magdeburg am 06.05.2021 per Fax eingegangenen Klageschrift hat der Kläger sich gegen eine fristlose Arbeitgeberkündigung zur Wehr gesetzt und gleichzeitig Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Rechtsanwältin beantragt. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen sind mit dem Originalschriftsatz vom 06.05.2021 am 10.05.2021 bei dem Arbeitsgericht Magdeburg eingegangen.

Im Gütetermin am 25.05.2021 haben die Parteien den Kündigungsschutzstreit im Wege eines Vergleichs erledigt und darüber hinaus in Z. 3 des Vergleichs eine Einigung erzielt, dass an der vom Lohn einbehaltenen Vertragsstrafe nicht mehr festgehalten wird und die Beklagte den diesbezüglich einbehaltenen Lohn an den Kläger zurück überweist. Mit Beschluss vom 29.07.2021 hat das Arbeitsgericht dem Kläger mit Wirkung vom 06.05.2021 ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Rechtsanwältin in vollem Umfang bewilligt.

Der Kläger hat diesen PKH-Beschluss nicht angefochten.

Auf den Prozesskostenhilfekostenerstattungsantrag des Klägervertreters vom 26.08.2021 i.H.v. zunächst 412,34 € hat das Arbeitsgericht durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle mit Verfügung vom 13.09.2021 die aus der Landeskasse an die beigeordnete Rechtsanwältin auszuzahlenden Vergütung auf 263,59 € festgesetzt und zur Begründung mitgeteilt, dass der Mehrvergleich (Z. 3 des Vergleichs) unberücksichtigt geblieben ist, da diesbezüglich Prozesskostenhilfe weder beantragt noch bewilligt worden ist.

Gegen diese Vergütungsfestsetzung hat die Klägervertreterin mit am 21.09.2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 17.09.2021 Erinnerung eingelegt und diese im Wesentlichen damit begründet, dass lange nach Abschluss des Mehrvergleichs Prozesskostenhilfe in vollem Umfang bewilligt worden sei und daher sich die PKH-Bewilligung auch auf die im Zusammenhang mit dem Abschluss des Mehrvergleichs entstandenen Rechtsanwaltsgebühren erstreckt habe. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH und des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt hat sie nunmehr Gebühren in Höhe von 453,39 € zur Zahlung beantragt.

Mit Vermerk vom 21.09.2021 hat das Arbeitsgericht durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle der Erinnerung der Klägervertreterin nicht abgeholfen und der Richterin zur Entscheidung vorgelegt. Das Arbeitsgericht hat auf die Erinnerung die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung der bewilligten Prozesskostenhilfe des Klägers im ersten Rechtszug "antragsgemäß auf 412,34 €" festgesetzt und die Beschwerde zugelassen.

Gegen den der Bezirksrevisorin am 23.12.2021 zugegangenen Beschluss hat diese am 27.12.2021 Beschwerde eingelegt und die Beschwerde unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 30.04.2014 (10 AZB 13/14) damit begründet, dass sich zur Vermeidung von Unklarheiten die Erstreckung der Bewilligung auf den Mehrvergleich entweder aus dem Tenor oder der Begründung des Bewilligungsbeschlusses eindeutig ergeben müsse. Mit Beschluss vom 10.03.2021 hat das Arbeitsgericht zunächst den Beschluss vom 19.11.2021 dahingehend berichtigt, dass die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung auf 453,39 € festgesetzt wird und im weiteren der Beschwerde des der Bezirksrevisor nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt zur Entscheidung vorgelegt.

B.

I.

Die Beschwerde der Bezirksrevisorin ist nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG statthaft auch im Übrigen zulässig. Zwar wird der Beschwerde...

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