Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückzahlung von Studiengebühren. Erstattung von Ausbildungskosten
Leitsatz (redaktionell)
Eine formularvertragliche Regelung im „Praxisphasen-Vertrag” nach der der Arbeitnehmer über die Vertragskonstruktion eines Darlehens uneingeschränkt zur Rückzahlung von Studiengebühren verpflichtet wird, ungeachtet aus welchem Grund es nach Abschluss des Studiums nicht zu dem vom Arbeitgeber ursprünglich in Aussicht gestellten Abschluss eines Arbeitsvertrags kommt, stellt eine unangemessene Benachteiligung nach§ 307 BGB dar und ist unwirksam.
Normenkette
BBiG § 19; BGB § 310 Abs. 4, § 305 Abs. 1, § 307 Abs. 1 S. 1, § 242
Verfahrensgang
ArbG Halberstadt (Urteil vom 24.05.2006; Aktenzeichen 3 Ca 215/06) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Halberstadt vom24. Mai 2006 – 3 Ca 215/06 – abgeändert.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rückzahlung von Studiengebühren, welche die Klägerin für die Beklagte darlehensweise übernommen hat.
Die am … geborene Beklagte absolvierte im Rahmen ihres Studiums an der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) in P. bei der Klägerin „betriebliche Praxisphasen”. Die rechtliche Grundlage dafür bildete der zwischen den Parteien am 24. April 2001 abgeschlossene „Praxisphasen-Vertrag”. Dieser Vertrag lautet auszugsweise:
„Praxisphasen-Vertrag
zur Durchführung der betrieblichen Praxisphasen des Dualen Studiums zur Diplom-Betriebswirtin (FH)
an der Fachhochschule der Wirtschaft – FHDW – in P. wird
zwischen dem Unternehmen |
A. GmbH |
|
… |
und |
Frau … |
nachfolgender befristeter Vertrag geschlossen. Ein Arbeitsverhältnis wird durch diesen Vertrag nicht begründet.
1. Zeit
1. In der Zeit vom 01.07.2001 bis 30.06.2004 absolviert Frau S. bei der A. Praxisphasen von insgesamt ca. 90 Wochen. Die Praxisphasen werden in Abstimmung mit der Fachhochschule der Wirtschaft P. von A. betreut. Beginn, Ende und Ort der einzelnen Paxisphasen liegen wie folgt:
Beginn |
Ende |
Ort |
Praxissemester-Verantwortlicher |
Oktober 2001 |
Dezember 2001 |
A. Büro |
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April 2002 |
Juni 2002 |
A. Büro |
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Oktober 2002 |
Dezember 2002 |
A. Büro |
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April 2003 |
Juni 2003 |
A. Büro |
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Oktober 2003 |
Dezember 2003 |
A. Büro |
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April 2004 |
Juni 2004 |
A. Büro |
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A. behält sich darüber hinaus eine Versetzung an weitere geignete Orte/Praxisstätten vor, soweit dieses mit der Erreichung des Studienzieles vereinbar ist.
6. Vergütung
Bis zum erfolgreichen Abschluss des Studiums wird vom Unternehmen eine Vergütung in Höhe von monatlich brutto 600,00 DM gezahlt. Diese Vergütung ist steuer- und sozialversicherungspflichtig.
7. Darlehen und Rückzahlung
(1) A. gewährt zusätzlich zur Vergütung ein Stipendium in Form eines Darlehens in Höhe von monatlich 1.100,00 DM brutto, maximal jedoch DM 39.600,00 brutto während der gesamten Vertragslaufzeit. Dieses Stipendium wird zur Zahlung der monatlichen Studiengebühren an die Fachhochschule der Wirtschaft in P. verwendet.
(2) Geht Frau S. nach erfolgreichem Abschluss des Studiums ein Vertragsverhältnis mit einer Konzerngesellschaft der A. Holding AG für mindestens 2 Jahre ein, ist das Darlehen von ihr nicht zurückzuzahlen. Wird das Arbeitsverhältnis vor Ablauf des Zwei-Jahre-Zeitraumes auf Veranlassung oder durch Verschulden von Frau S. beendet, bleibt die Rückzahlungsverpflichtung für den noch nicht abgegoltenen Teil des Stipendiums erhalten.
(3) Wird das Vertragsverhältnis vor dem Ende des Studiums von Frau S. beendet, ist sie verpflichtet, das bisher gezahlte Stipendium in Form eines Darlehens in monatlichen Raten innerhalb von 5 Jahren zurückzuzahlen.
(4) Kommt es nach Ablauf des Studiums auf Wunsch von A. nicht zu einem Arbeitsverhältnis oder endet dieser Vertrag vor Ende des Studiums durch Kündigung von A., besteht ebenfalls Rückzahlungspflicht für das gewährte Stipendium.
(5) Das Darlehen stellt für den Studenten einen geldwerten Vorteil dar. Dieser geldwerte Vorteil wird ab Erreichen der DM 5.000,00 monatlich im Rahmen der Gehaltsabrechnung versteuert.”
Nach Abschluss des Studiums kam es auf Wunsch der Klägerin zwischen den Parteien nicht zu einem Arbeitsverhältnis. Die Beerwerbung der Beklagten als Trainee für internationale strategische Konzernprojekte und Versicherungskauffrau lehnte die Klägerin mit Schreiben vom 12.07.2004 ab. Sie wies die Beklagten bereits im Juli 2004 auf die Rückzahlungsabrede hin. Die Beklagte befindet sich zurzeit in einer Umschulung zur Mediengestalterin und erhält Arbeitslosengeld II. Bereits aus diesem Grund ist es ihr finanziell unmöglich gewesen, der Aufforderung der Klägerin zur Rückzahlung der Studiengebühren nachzukommen.
Am 25. Juli 2005 hat die Klägerin beim Arbeitsgericht Hannover Klage erhoben.
Das Arbeitsgericht Hannover erklärte durch Beschluss vom 12.10.2005 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig. Durch Beschluss vom 09.12.2005 gewährte es der Beklagten Wiedereinsetzung...