Entscheidungsstichwort (Thema)
Entschädigungsanspruch wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch heimliche Videoüberwachung am Arbeitsplatz. Unbegründete Zahlungsklage bei zweimonatiger Videoüberwachung des Produktionsbereichs anlässlich vorangegangener "Sabotageakte" in Form einer Verunreinigung von Gewürzpackungen mit Metallnägeln
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei Abwägung der Gesamtumstände des Einzelfalls erscheint der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers durch heimliche Videoüberwachung am Arbeitsplatz nicht als ausreichend schwerwiegend, um einen Entschädigungsanspruch in Geld auszulösen, wenn sich die Videoüberwachung anlässlich zweier vorangegangener "Sabotageakte" in Form einer Verunreinigung von Gewürzpackungen mit Metallnägeln auf einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum des Arbeitsverhältnisses (zwei Monate) bezogen und sich auf den Produktionsbereich (Gewürzabteilung) beschränkt hat, so dass eine Beobachtung des Arbeitnehmers in Bereichen, in denen seine Privatsphäre berührt sein könnte (etwa in Umkleide- oder Pausenräumen) ausgeschlossen ist, und sich die Beobachtung nicht gezielt gegen den einzelnen Arbeitnehmer gerichtet sondern auf den gesamten Produktionsbereich erstreckt hat, so dass der Arbeitnehmer nicht im Brennpunkt der Beobachtung stand.
2. Auch wenn der zugrundeliegende Sachverhalt allein nicht die Rechtfertigung einer Videoüberwachung begründet, kann im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung doch festgestellt werden, dass für die Arbeitgeberin ein nachvollziehbarer Anlass zur Einrichtung der Videoüberwachung besteht, wenn aus Kundenbeschwerden zu entnehmen ist, dass vorausgegangene "Sabotageakte" zu einer Gefährdung der jeweiligen Vertragsbeziehung geführt haben.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1; GG Art. 2 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Dessau (Entscheidung vom 19.06.2014; Aktenzeichen 5 Ca 286/13) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 19.06.2014 - 5 Ca 286/13 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten aus einem beendeten Arbeitsverhältnis noch über von dem Kläger geltend gemachte Entschädigungsansprüche wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts.
Der Kläger war vom 01.01.2012 bis 31.10.2013 bei der Beklagten, die Gewürze vertreibt, als Mitarbeiter Gewürzverarbeitung/Kommissionierer beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete, nachdem die Beklagte jenes verhaltensbedingt, ordentlich gekündigt hatte durch gerichtlichen Vergleich vom 30.10.2013.
Die Beklagte installierte am 28.08.2013, nachdem zwei ihrer Kunden in gelieferten Gewürzverpackungen Fremdkörper (Metallnägel) vorgefunden hatten - zum weiteren Inhalt der Kundenbeschwerden siehe Bl. 96 - 98 d.A. - in dem Produktionsbereich, in dem sich auch der Arbeitsplatz des Klägers befand (Gewürzabteilung), eine Videoüberwachungsanlage, ohne den Kläger und die weiteren dort tätigen Mitarbeiter hierüber zu informieren. Nach der Beschaffenheit der von den Kunden vorgefundenen Verpackungen war davon auszugehen, dass die Fremdkörper im Verlauf des Produktionsprozesses eingelegt worden waren. Dass derartige "Sabotageakte" stattgefunden hatten, war den Mitarbeitern bekannt. Diese, einschließlich des Vorarbeiters, waren deshalb im Rahmen ihrer Tätigkeit besonders sensibilisiert.
Der Kläger hat behauptet, die Videokamera sei permanent in Betrieb gewesen und habe dazu gedient, lückenlos ihn und seine Arbeitskollegen während der gesamten Schichtdauer zu überwachen und zu kontrollieren. Anlässlich der Übergabe eines Abmahnungsschreibens vom 29.08.2013 habe der Geschäftsführer der Beklagten persönlich ihm gegenüber erklärt, über den abgemahnten Pflichtverstoß - Mitnahme des Mobiltelefons zum Arbeitsplatz - existiere eine Videoaufzeichnung. Durch diese sei der Pflichtverstoß aufgedeckt worden.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 750,00 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab 11.12.2013 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat bestritten, dass die Videoanlage permanent in Betrieb gewesen sei. Diese sei von ihrem technischen Mitarbeiter Herrn K angebracht und so programmiert worden, dass sie lediglich während der Pausenzeiten, in denen die Mitarbeiter - unstreitig - den Produktionsbereich zu verlassen hatten, und in den Zeiten nach Schichtschluss in Betrieb gewesen sei. Keineswegs sei die Anlage dauerhaft betrieben worden. Unzutreffend sei auch, dass es eine Videoaufnahme über den im Schreiben vom 29.08.2013 abgemahnten Vorfall gebe. Der Pflichtverstoß des Klägers sei vielmehr durch den Produktionsleiter M entdeckt worden. Dementsprechend habe ihr Geschäftsführer auch gegenüber dem Kläger nicht geäußert, der Vorfall sei auf Video aufgezeichnet worden.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 19.06.2014 die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dem Kläger stehe kei...