Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadenersatz. Schadensersatz wegen Zahlungsverzug. Entgangene Leistungen der Arbeitsförderung. Ausschlussfristen
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Arbeitgeber kann mit der Leistung der Arbeitsvergütung auch dadurch in Verzug geraten, dass er infolge einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr leistet, obwohl er bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass die Kündigung unwirksam ist. Anders verhält es sich, wenn der Ausspruch der Kündigung auf einem vertretbaren Rechtsstandpunkt beruht.
2. Der Arbeitgeber hat bei einer Kündigung selbstständig auf die Einhaltung der Kündigungsfrist zu achten und nicht erst auf Hinweis des gekündigten Arbeitnehmers.
Normenkette
BGB § 284 Abs. 2, §§ 285, 628 Abs. 1, § 276 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Stendal (Urteil vom 15.08.2001; Aktenzeichen 7 Ca 903/00) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stendal vom 15. August 2001 – 7 Ca 903/00 – wird
z u r ü c k g e w i e s e n. |
2.Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
3.Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadenersatz wegen verspäteter Lohnzahlung zum Ausgleich entgangener Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit.
Die am geborene Klägerin ist seit dem 21. Dezember 1998 Rentnerin. Sie war vom 15. März 1974 bis zum 31. März 1993 bei der D. R. beschäftigt, zuletzt seit dem 1. Juli 1991 in der H. S. Außenstelle S. als technisch-ökonomische Fachkraft (Phonotypistin) mit 50 % der regelmäßigen Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Angestellten.
Am 14. Mai 1992 hatte die D. R., vertreten durch die H. S. der Klägerin zum 30. Juni 1992 eine ordentliche Änderungskündigung ausgesprochen. Das Änderungsangebot, ab 1. Juli 1992 als Arbeiterin in der Lohngruppe VII im Wesentlichen Reinigungsarbeiten auszuführen, lehnte die Klägerin vorbehaltlos ab und erhob am 4. Juni 1992 beim Arbeitsgericht Halle Kündigungsschutzklage (dortiges Verfahren 10 Ca 20/92). Nachdem die Güteverhandlung gescheitert war, teilte die D. R. dem Arbeitsgericht H. mit Schreiben vom 29. September 1992 mit, dass die Änderungskündigung zurückgenommen sei und die Klägerin in der Hochbaumeisterei S. eingesetzt werde. Zugleich sprach sie der Klägerin mit Schreiben vom 29. September 1992 eine zweite Änderungskündigung aus, gegen die die Klägerin ebenfalls beim Arbeitsgericht H. Kündigungsschutzklage erhob. Das unter dem Geschäftszeichen – 10 Ca 348/92 – geführte Verfahren wurde mit dem ersten Verfahren verbunden und endete am 16. Juni 1993 durch den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs. Gemäß diesem Vergleich endete das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der D. R. durch die arbeitgeberseitige Kündigung vom 29. September 1992 wegen mangelnden Bedarfs mit Ablauf des 31. März 1993. Die D. R. rechnete das Arbeitsverhältnis der Klägerin in der Folgezeit ordnungsgemäß ab und zahlte das der Klägerin in der Zeit vom 1. Juli 1992 bis 31. März 1993 entgegangene Arbeitsentgelt unter Berücksichtigung der auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangenen Ansprüche nach.
Die Gehaltszahlung an die Klägerin hatte die D. R. ab 1. Juli 1992 eingestellt. Die Klägerin meldete sich ab 29. Juni 1992 beim Arbeitsamt S. arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Das Arbeitsamt S. bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 19. August 1992 ab 1. Juli 1992 für 676 Anspruchstage Arbeitslosengeld und legte der Bemessung dieser Leistung die Arbeitsvergütung der Klägerin im Zeitraum vom 1. April bis 30. Juni 1992 zugrunde. Am 22. September 1992 teilte die D. R. dem Arbeitsamt S. mit, dass das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin bis zum 31. März 1993 weitergeführt wird. Die Klägerin befand sich vom 17. September 1992 bis 31. März 1993 im Krankenstand. Am 23. März 1993 stellte sie beim Arbeitsamt S. erneut einen Antrag auf Arbeitslosengeld, dem das Arbeitsamt mit Bescheid vom 22. Juni 1993 stattgab. Das Arbeitslosengeld wurde der Klägerin wiederum für 676 Tage bewilligt und aufgrund ihrer Arbeitsvergütung vom 1. April bis 30. Juni 1992 bemessen. Die gegen die Bescheide des Arbeitsamtes S. eingelegten Widersprüche der Klägerin sowie ein von ihr vor dem Sozialgericht S. geführtes Verfahren blieben im Hinblick auf den Anspruchszeitraum von 676 Tagen erfolglos. Arbeitslosenhilfe beantragte die Klägerin nicht.
Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der D. R. fand u.a. der Tarifvertrag für die Angestellten der Deutschen Reichsbahn (…-DR), gültig seit 1. Juli 1991, Anwendung. Dieser Tarifvertrag enthält folgende Vereinbarungen, die vorliegend von Interesse sind:
„§ 28
(1) …
(2) a) Im übrigen beträgt die Kündigungsfrist eines auf unbestimmte Zeit eingestellten Angestellten bei einer … (Beschäftigungszeit) – § 12 Abs. 1 –
bis zu einem Jahr |
1 Monat zum Monatsschluß |
nach einer Eisenbahndienstzeit (Beschäftigungszeit)
von mehr als |
1 |
Jahr |
6 Wochen, |
von mindestens |
5 |
Jahren |
3 Monate, |
von mindestens |
8 |
Jahren |
4 Monate, |
von mindestens |
10 |
Jahre... |