Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltungsbereich eines Tarifvertrages nach einem Betriebsübergang
Leitsatz (redaktionell)
Besteht hinsichtlich des maßgeblichen Tarifvertrages eine kongruente Tarifbindung des Arbeitnehmers und des Betriebserwerbers, so löst bei einem Betriebsübergang der nunmehr für den Arbeitgeber geltende Tarifvertrag den für den bisherigen Arbeitgeber geltenden ab.
Normenkette
BGB § 613a Abs. 1 S. 3; TVG § 4 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Magdeburg (Entscheidung vom 20.01.2015; Aktenzeichen 9 Ca 1504/14) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 20.01.2015 - 9 Ca 1504/14 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten (noch) über die Frage, welche Tarifwerke auf ihr Arbeitsverhältnis zur Anwendung kommen und damit im Zusammenhang stehend über die Frage, ob die Beklagte der Klägerin (weitere) Arbeitsvergütung schuldet.
Die Klägerin ist seit 01.09.1989 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern als Krankenschwester in dem nach dem Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes zunächst von dem O bzw. dem diesen nachfolgenden B als Eigenbetrieb geführten Krankenhauses "O" in H, K, tätig.
Das Klinikum ging im Wege des Betriebsüberganges im Jahr 2007 an die S über.
Aufgrund eines weiteren Betriebsübergangs wechselte die Inhaberschaft auf die Beklagte, damals firmierend unter "A" mit Wirkung zum 01.11.2013.
Die Klägerin ist seit 2007 Mitglied der Gewerkschaft ver.di.
Sie hat mit den Rechtsvorgängern der Beklagten die vertragliche Grundlage für das Arbeitsverhältnis mehrfach im Wege des Änderungsvertrages angefasst. Der Arbeitsvertrag vom 30.04.1992 (Bl. 115 d. A.) enthält in § 2 eine Verweisungsklausel auf den BAT-O sowie auf die für den Arbeitgeber jeweils weitergeltenden Tarifverträge. § 2 des Änderungsvertrages vom 17.05.2010 (Bl. 48 d. A.) enthält demgegenüber die folgende Bezugnahmeklausel:
...
§ 2 wird wie folgt ersetzt:
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) und dem Besonderen Teil Stand 31.12.2006
( ) Verwaltung
(x) Krankenhäuser Stand 31.12.2006
Außerdem gilt weiterhin der Tarifvertrag zur Überleitung und Beschäftigungssicherung in der S vom 05. März 2007.
Dieser Änderungsvertrag tritt am 17.05.2010 in Kraft.
H, den 17.05.2010
(Ort, Datum)
D
Geschäftsführer
(Für den Arbeitgeber) (Datum/Beschäftigte)
Dementsprechend kamen auf die Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und der S zunächst weiter die Bestimmungen des TVöD zur Anwendung. Mit Schreiben vom 28.10.2010 (Bl. 162 fd. A.) teilte die S der Klägerin mit, dass rückwirkend zum 01.01.2010 nunmehr die Tarifverträge des S zur Anwendung kommen. Danach (Tarifvertrag O 2012 vom 25.02.2013 - abgeschlossen mit ver.di) beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für die Klägerin 35 Stunden.
Die Beklagte betrieb (und betreibt noch) vor der Übernahme des O in H, K, eine medizinische Einrichtung, nämlich ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie. Sie hatte bereits am 28.03.2006 mit ver.di einen Haustarifvertrag abgeschlossen, dessen Rubrum wie folgt lautet:
Haustarifvertrag
(mit weitergeltenden Regelungen aus dem BAT-O)
zwischen dem
A
vertreten durch die
Trägerschaft A H, diese vertreten durch die Geschäftsführerin, Frau M...
- einerseits -
und der
Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di,
vertreten durch die Landesbezirksleitung Sachsen-Anhalt,
Nachtweide 82, 39124 Magdeburg
- andererseits -
...
Weiter heißt es in diesem Tarifvertrag -(im Folgenden A HTV) in § 1:
§ 1 Allgemeiner Geltungsbereich
(1) Dieser Tarifvertrag gilt für alle Beschäftigte des A in H, die Mitglieder der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) sind.
(2) Ausgenommen sind leitende Mitarbeiterinnen im Sinne des § 5 (3) BetrVG und Beschäftigte, die im Sinne des § 8 SGB IV - unter Berücksichtigung des § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB IV - geringfügig beschäftigt oder als Studierende nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V versicherungsfrei sind oder die nebenberuflich tätig sind.
§ 1a Anwendung von Tarifverträgen
(1) Für die in § 1 (1) genannten Beschäftigten gelten die für die Angestellten der Länder zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbarten Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages Ost (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 und diese ändernden und ergänzenden Vorschriften einschließlich der Vergütungsregelung in der jeweils geltenden Fassung (für den Bereich Bund/Land) samt der z. Zt. (Stand Juni 2005) geltenden Sonderregelungen, Anlagen, Anhänge und sonstigen tariflichen Regelungen, die für den Bereich des öffentlichen Dienstes abgeschlossen werden, soweit in diesem Tarifwerk nicht Abweichendes bestimmt wird.
...
Die Tarifvertragsparteien waren sich darüber einig, dass die Regelungen des A-HTV auch die Mitarbeiter der von der Beklagten betriebenen Tagesklinik in O erfassen.
Die Beklagte wendet die Bestimmungen dieses Tarifvertrages, insbesondere die dort geregelte regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 38 Stunden auch auf die Mitarbeiter des von ihr im Wege...