Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung von Vordienstzeiten als Beschäftigungszeit

 

Verfahrensgang

ArbG Halle (Saale) (Urteil vom 22.02.1994; Aktenzeichen 6 Ca 160/93)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 16.10.1997; Aktenzeichen 6 AZR 188/96)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 22. Februar 1994 – 8 Ca 160/93 – wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Anrechnung der von der Klägerin vom 1. August 1983 bis 28. Februar 1990 zurückgelegten Zeiten als Beschäftigungszeit.

Die am 18. September 1960 geborene Klägerin absolvierte von 1979 bis 1983 an der Pädagogischen Hochschule „…” D. ein Hochschulstudium in der Fachkombination Freundschaftspionierleiter/Geschichte und erwarb die Berechtigung, die Berufsbezeichnung „Freundschaftspionierleiter und Diplomlehrer für Geschichte” zu führen. Sie besitzt die Lehrbefähigung zur Erteilung des Fachunterrichts in Geschichte für die Klassen 5 bis 10 der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschulen. Ab 1. August 1983 war die Klägerin aufgrund eines Arbeitsvertrages mit dem damaligen Rat des Kreises B. (Bl. 11 d.A.) als Freundschaftspionierleiterin an der Polytechnischen Oberschule (im folgenden: POS) „…” B. beschäftigt. Der Tätigkeitsaufnahme war außerdem die Berufung der Klägerin als Freundschaftspionierleiterin durch die damalige FDJ-Kreisleitung B. vorausgegangen. Im Dezember 1986/Januar 1987 schloß die Klägerin mit den damaligen Räten des Kreises B. und Stadtbezirkes H. einen Überleitungsvertrag (Bl. 7 d.A.). Laut diesem beendete sie ihre Tätigkeit in B. und begann am 7. November 1987 eine Tätigkeit als Freundschaftspionierleiterin in der Stadt H. zunächst an der POS „…” und sodann an der POS „…”. Seit dem 1. März 1990 ist die Klägerin an der Oberschule „H.” als Lehrerin tätig (Änderungsvertrag vom 15. Januar 1990, Bl. 7 d.A.). Neben ihrer Tätigkeit als Freundschaftspionierleiterin unterrichtete die Klägerin auch in der Zeit vom 1. August 1983 bis zum 28. Februar 1990.

Kraft beiderseitiger Tarifbindung der Parteien findet auf das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) – vom 10. Dezember 1990 in der Fassung des Änderungstarifvertrages Nr. 2 vom 12. November 1991 einschließlich der ihn ändernden und ergänzenden Bestimmungen Anwendung.

In § 19 BAT-O und den Übergangsvorschriften dazu (im folgenden: Übergangsvorschrift § 19 BAT-O) heißt es, soweit vorliegend von Interesse:

㤠19

Beschäftigungszeit

(1) Beschäftigungszeit ist die bei demselben Arbeitgeber nach Vollendung des 18. Lebensjahres in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit, auch wenn sie unterbrochen ist.

(2) Übernimmt ein Arbeitgeber eine Dienststelle oder geschlossene Teile einer solchen von einem Arbeitgeber, der von diesem Tarifvertrag erfaßt wird oder diesen oder einen Tarifvertrag wesentlich gleichen Inhalts anwendet, so werden die bei der Dienststelle bis zur Übernahme zurückgelegten Zeiten nach Maßgabe des Absatzes 1 als Beschäftigungszeit angerechnet.

Übergangsvorschriften für Zeiten vor dem 1. Januar 1991:

1. Als Übernahme im Sinne des Absatzes 2 gilt auch die Überführung von Einrichtungen nach Artikel 13 des Einigungsvertrages.

2. Ist infolge des Beitritts der DDR der frühere Arbeitgeber weggefallen, ohne daß eine Überführung nach Artikel 13 des Einigungsvertrages erfolgt ist, gelten als Beschäftigungszeit nach Maßgabe des Absatzes 1.

b) für Angestellte der Länder

Zeiten der Tätigkeit bei zentralen oder örtlichen Staatsorganen und ihren nachgeordneten Einrichtungen oder sonstigen Einrichtungen oder Betrieben, soweit das Land deren Aufgaben bzw. Aufgabenbereiche derselben ganz oder überwiegend übernommen hat.

4. Von der Berücksichtigung als Beschäftigungszeit sind ausgeschlossen

c) Zeiten einer Tätigkeit, die aufgrund einer besonderen persönlichen Systemnähe übertragen worden war.

Die Übertragung einer Tätigkeit aufgrund einer besonderen persönlichen Systemnähe wird insbesondere vermutet, wenn der Angestellte

aa) vor oder bei der Übertragung der Tätigkeit eine hauptamtliche oder hervorgehobene ehrenamtliche Funktion in der SED, dem FDGB, der FDJ … inne hatte,

…”

Mit Schreiben vom 19. Januar 1993 (Bl. 14 d.A.) teilte das beklagte Land der Klägerin mit, daß für sie der Beginn der Beschäftigungszeit beim Land Sachsen-Anhalt auf den 1. März 1990 festgesetzt sei. Die Anrechnung der von der Klägerin vom 1. August 1983 bis 28. Februar 1990 zurückgelegten Zeiten als Beschäftigungszeit lehnte das beklagte Land mit der Begründung ab, die Anrechnung der Zeiten einer Tätigkeit als Pionierleiterin sei ausgeschlossen, weil zum einen die Aufgabe des Pionierleiters ersatzlos weggefallen sei und zum anderen der Vermutungstatbestand greife, daß die Tätigkeit als Freundschaftspionierleiter auf Grund einer besonderen persönlichen Systemnähe übertragen worden sei.

Am 8. Juni 1993 hat die Klägerin beim Arbeitsgeri...

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