Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Übung durch wiederholte Vergütungsanpassungen an entsprechende Tarifsteigerungen des TVöD ohne Vorbehalt und ohne Bezugnahme auf einen Haustarifvertrag
Leitsatz (redaktionell)
Gibt die Arbeitgeberin nach Abschluss eines Haustarifvertrages in einem Zeitraum von rund sechs Jahren acht Tariflohnerhöhungen gemäß den Entgelttabellen des TVöD jeweils pünktlich an die Beschäftigten ihres Klinikums weiter, entsteht eine entsprechende Anpassungspraxis aufgrund betrieblicher Übung; acht Vergütungsanpassungen in sechs Jahren ohne jeden Vorbehalt und ohne jedwede Bezugnahme auf den Haustarifvertrag zeugen von einer eindeutig gelebten und geübten Vertragspraxis und stellen hinreichende Anhaltspunkte dafür dar, dass die Arbeitgeberin die Tariflohnerhöhungen des TVöD dauerhaft übernehmen will.
Normenkette
BGB §§ 133, 151, 157, 242, 611a
Verfahrensgang
ArbG Magdeburg (Entscheidung vom 27.03.2017; Aktenzeichen 3 Ca 1727/15 HBS) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 27.03.2017 - 3 Ca 1727/15 HBS - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin jeweils brutto für die Monate März 2014 bis einschließlich Oktober 2016 4.382,20 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 79,35 Euro ab 01.04.2014 und weiteren jeweils monatlichen 79,35 Euro ab dem jeweiligen Folgemonat bis einschließlich 01.03.2015 und aus 144,72 Euro ab 01.04.2015 und weiteren monatlichen 144,72 Euro bis einschließlich Februar 2016 und aus 211,67 Euro ab 01.03.2016 und weiteren jeweils monatlichen 211,67 Euro bis einschließlich Oktober 2016 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an die klagende Partei trotz des bestehenden Haustarifvertrages nach wie vor dynamisch Entgelterhöhungen gemäß den Entgelttabellen des TVöD weiterzugeben.
Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens und der erstinstanzlichen Anträge der Parteien wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 27. März 2017 - 3 Ca 1727/15 HBS - auf den Seiten 2 bis 5 Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht Magdeburg hat die Klage durch sein vorgenanntes Urteil vom 27.03.2017 abgewiesen. Wegen des Tenors und der Gründe der vorgenannten Entscheidung des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 27.03.2017 wird auf dessen Seite 1 und auf dessen Seiten 5 bis 8 verwiesen.
Das vollständig abgefasste und mit Rechtsmittelbelehrung versehene vorgenannte Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg wurde der Klägerin am 11.04.2017 zugestellt. Deren Berufungsschrift ist am 25.04.2017 und deren Berufungsbegründung am 24.05.2017 beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt eingegangen.
Wegen des zweitinstanzlichen Vorbringens der Klägerin wird auf deren Berufungsbegründung vom 24. Mai 2017.
Hinsichtlich der von den Parteien in der Berufungsverhandlung am 23. Oktober 2017 gestellten Anträge wird auf die Seite 2 des diesbezüglichen Protokolls (Bl. 209 d. A.) verwiesen.
Bezüglich des zweitinstanzlichen Vorbringens der Beklagten wird auf deren Berufungserwiderung vom 29. Juli 2017 genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die statthafte, nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten ist ohne weiteres zulässig. Sie setzt sich hinreichend mit dem angegriffenen Urteil auseinander.
II.
Die Berufung der Klägerin gegen das oben im Tenor näher bezeichnete Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 27. März 2017 - 3 Ca 1727/15 HBS - ist auch begründet. Demgemäß war dieses Urteil gemäß dem obigen Tenor abzuändern und neu zu fassen. Der Beklagten waren die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Die Revision war zuzulassen. Diese Entscheidung beruht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht kurz zusammengefasst auf folgenden Erwägungen:
1.
Unter Beteiligung von A-Kliniken im Lande Sachsen-Anhalt ist es in letzter Zeit bereits zu Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt gekommen, bei denen es um verschiedene Tarifwerke, deren Geltung und deren jeweilige Auslegung ging, nämlich u.a. die Urteile des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt
- vom 17. Mai 2016 - 6 Sa 66/15
- vom 17. Januar 2017 - 3 Sa 270/14
- vom 14. August 2017 - 6 Sa 216/15 und
- vom 14. August 2017 - 6 Sa 221/15.
Im vorliegenden Streitfall geht es aufgrund streitiger Auslegung des Haustarifvertrages um die Frage, ob eine dynamische Erhöhung der Vergütung vorzunehmen ist.
Die Klägerin (geb. am 29.07.1973) hat eine Beschäftigungszeit seit dem 11.03.1999. Sie ist nunmehr beschäftigt bei der beklagten "A Klinikum H GmbH".
2.
Die Klägerin hat zunächst eine Vergütung gemäß dem BAT und anschließend nach dem TVöD erhalten. Das vorliegende Arbeitsverhältnis ist jedenfalls zuletzt auf die A Klinikum H GmbH übergegangen. Die Arbeitszeit der Klägerin beträgt nunmehr durch...