Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Änderungskündigung zur Arbeitszeitreduzierung. Wegfall des Arbeitsbedarfs bei Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes
Leitsatz (redaktionell)
1. Entschließt sich der Träger einer Kinderbetreuungseinrichtung, seinen Personalbestand zu senken und die vorhandene Arbeitsmenge auf weniger Arbeitnehmer zu verteilen, kann daraus ein Personalüberhang entstehen, der zur betriebsbedingten Änderungskündigung berechtigt.
2. Erfolgt die Absenkung des Personalbestands nach Maßgabe eines geänderten landesgesetzlichen Mindestpersonalschlüssels, bedarf es im Rechtsstreit zur Darstellung des Personalüberhangs in der Regel keiner näheren Darlegung der organisatorischen Durchführbarkeit und Dauerhaftigkeit dieser Maßnahme, solange der Arbeitnehmer nicht seinerseits aufzeigt, warum die Personalreduzierung ausnahmsweise nicht durchführbar ist.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2, § 2
Verfahrensgang
ArbG Halle (Saale) (Urteil vom 09.06.2004; Aktenzeichen 3 Ca 2376/03) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen dasUrteil des ArbG Halle vom09.06.2004 – 3 Ca 2376/03 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die von der Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis geschuldete Arbeitszeit durch die Änderungskündigung der Beklagten vom 23.06.2003 wirksam zum 01.01.2004 herabgesetzt wurde.
Die 1949 geborene, verwitwete Klägerin ist seit dem 04.01.1991 unter Anerkennung einer Betriebszugehörigkeit seit 1971 bei der beklagten Stadt als Erzieherin mit zuletzt 32 Wochenstunden beschäftigt. Einschließlich Leiterinnen beschäftigte die Beklage Anfang 2003 insgesamt 88 Erzieherinnen, größtenteils in der 32-Stunden-Woche. Das entsprach 68,74 „Vollbeschäftigungseinheiten” (VbE). Am 08.03.2003 trat das neue Kinderförderungsgesetz (KiFöG) in Sachsen-Anhalt in Kraft (GVBl. LSA S. 41). Die gesetzliche Neuregelung reduzierte den Anspruch auf einen Ganztagsbetreuungsplatz für Kinder bis zum Schuleintritt auf Eltern, die etwa wegen beiderseitiger Erwerbstätigkeit Bedarf hierfür nachweisen können (§ 3 Abs. 1 KiFöG). Außerdem brachte sie Änderungen für die Berechnung des Personalschlüssels in § 21 KiFöG. Mit Rundschreiben vom 18.03.2003 (Bl. 65 d. A.) forderte die Beklagte die betroffenen Eltern auf, einen etwaigen Anspruch auf Ganztagsbetreuung nachzuweisen. Aufgrund der Rückmeldungen ermittelte sie bei etwa gleich hoher bzw. leicht gestiegener Anzahl zu betreuender Kinder einen erheblichen Rückgang der nachgefragten Betreuungsstunden (vgl. die Übersicht vom 17.04.2003, Bl. 66 d. A.).
Am 14.05.2003 unterrichtete die Beklagte den Personalrat über die veränderte Bedarfslage bei dem erzieherischen Fachpersonal und kündigte Stellenkürzungen an. Auf einer Betriebsversammlung am 15.05.2003 sprachen sich die anwesenden Erzieherinnen mehrheitlich für eine allgemeine Herabsetzung ihrer Arbeitszeit im Wege der Änderungskündigung anstelle von einigen Beendigungskündigungen aus. Am 21.05.2003 schloss die Beklagte mit dem Personalrat eine Dienstvereinbarung für die Erzieherinnen, die eine Änderungskündigung bzw. einen Änderungsvertrag im Juni 2003 erhalten würden (Bl. 87 – 88 d. A.). Am 05.06.2003 beschloss der Stadtrat der Beklagten die Anbringung von kw – Vermerken („künftig wegfallend”) zum 31.12.2003 für insgesamt 13,2 Vollbeschäftigteneinheiten (VbE) im Erzierbereich des Stellenplans (Bl. 77 d. A.). Der aus dem KiFöG sich ergebende (verringerte) Betreuungsbedarf für die Bereiche Kinderkrippe, Kindergarten und Hort wurde dabei mit 55,5 VbE ermittelt (davon 49,9 VbE Erzieherinnen und 5,6 VbE Leiterinnen, vergl. die Berechnung Seite 4 – 7 der Klageerwiderung vom 07.10.2003). Nach dem Stadtratsbeschluss sollte der aus der Differenz zum bisherigen Beschäftigungsstand von 68,74 VbE resultierende Überhang bis zur Höhe von 13,2 VbE zur Erhaltung einer „gewissen Altersstruktur” in der Weise abgebaut werden, dass mit Ausnahme der in Altersteilzeit befindlichen Mitarbeiterinnen allen Erzieherinnen die Arbeitszeit gleichmäßig um 23,43 % – jedoch nicht unter 20 Wochenstunden – gekürzt würde.
Am 20.06.2003 stimmte der Personalrat der geplanten Änderungskündigung der Klägerin zur Herabsetzung ihrer Arbeitszeit um 23,43 % von 32 auf 24,5 Wochenstunden zu (Bl. 90 d. A.). Am 23.06.2003 sprach die Beklagte gegenüber der Klägerin eine entsprechende Änderungskündigung zum 31.12.2003 aus (Bl. 9 – 11 d. A.).
Mit ihrer am 14.07.2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Kündigung. Sie hat geltend gemacht, dass die Ermittlung des Personalbedarfs durch die Beklagte nicht nachvollziehbar sei. Aus diesem Grund sei bereits der Stadtratsbeschluss rechtsfehlerhaft. Außerdem verletze die flächendeckende Reduzierung der Arbeitszeit das Gebot der Sozialauswahl. Schließlich sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß angehört worden.
Demgegenüber hat die beklagte Stadt die von ihr vorgenommene Berechnung sowie nachträglich erfolgte Anhebungen der Arbeitszeit von Leiterinnen und s...