Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung einer Schuldnerberaterin. Auslegung des Tarifmerkmals "schwierige Tätigkeit" im Hinblick auf psychosoziale Beratungsanteile
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Tätigkeit einer Schuldnerberaterin ist als ein einziger Arbeitsvorgang zu bewerten; zur Erfüllung der tariflichen Anforderungen ist es ausreichend, wenn das jeweilige Heraushebungsmerkmal innerhalb des Arbeitsvorgangs in einem rechtlich erheblichen Ausmaß vorliegt, wobei es auf den genauen zeitlichen Umfang oder ein Überwiegen der das Heraushebungsmerkmal erfüllenden Tätigkeit nicht ankommt.
2. Soweit die Tätigkeit einer Schuldnerberaterin nur sinnvoll ausgeübt werden kann, wenn unter Berücksichtigung der sozialen und psychischen Situation des Schuldners oder der Schuldnerin umfassender beraten und nach Lösungen nicht nur zur Besserung der finanziellen Situation gesucht wird, muss diese Tätigkeit, um das Merkmal "schwierig" zu erfüllen, im Hinblick auf die in Nr. 11 der Protokollerklärung zur Vergütungsgruppe S 12 aufgeführten Personengruppen oder vergleichbarer Personengruppen prägend für die Tätigkeit sein; dazu reicht es nicht aus, wenn nur ein ganz geringer Prozentsatz des zeitlichen Umfangs der Tätigkeit betroffen ist.
3. Damit die als einheitlicher Arbeitsvorgang zu wertende Tätigkeit einer Schuldnerberaterin in nicht nur unerheblichem Ausmaß "schwierige" Tätigkeiten beinhaltet, müssen die Fähigkeiten und Erfahrungen des oder der Beschäftigten dem jeweiligen Berufsbild der Sozialarbeiterin oder der Sozialpädagogin grundsätzlich in seiner vollen Bandbreite entsprechen; Fähigkeiten und Erfahrungen auf einem Teilgebiet reichen nicht aus.
4. Auch wenn aus den ausgeübten Tätigkeiten einer Schuldnerberaterin Rückschlüsse auf ihre Fähigkeiten und Erfahrungen gezogen werden können, stellt die Schuldnerberatung doch nur ein eng begrenztes Teilgebiet der Tätigkeit einer Sozialarbeiterin oder Sozialpädagogin dar; die ausgeübte Tätigkeit auf einem begrenzten Teilgebiet reicht jedoch zur Erfüllung des Merkmals "gleichwertige Fähigkeiten" nicht aus.
Normenkette
TVÜ-VKA § 17 Abs. 1; BAT § 22 Abs. 2, 1; TVÜ-VKA § 28a Abs. 10; TVöD BT-B § 52; TVöD BT-V § 56 Anl. C Entgeltgr. S. 12
Verfahrensgang
ArbG Halle (Saale) (Entscheidung vom 01.08.2012; Aktenzeichen 8 Ca 2490/11 E) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 01. August 2012, Az.: 8 Ca 2490/11 E, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin nach dem TVöD-VKA. Die Klägerin begehrt die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe S 12 Entwicklungsstufe 5 der Tabelle zum TVöD-BT-V für Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst, gültig ab dem 01.11.2009 - Tarifgebiet Ost.
Die im Jahr 1964 geborene Klägerin ist bei der Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger im Sozialamt als Sachbearbeiterin Schuldnerberatung/Insolvenzverfahren beschäftigt. Sie war zunächst in die Vergütungsgruppe V b (1 a) - Allgemeine Verwaltung eingruppiert. In der von der Beklagten erstellten Stellenbeschreibung vom März 2011 sind die Aufgaben der Klägerin seit dem 01.04.2008 aufgegliedert in "Arbeitsvorgänge/Tätigkeiten" im Einzelnen aufgelistet (Bl. 10 bis 12 d. A.). Der Beklagte hat dabei einen einzigen Arbeitsvorgang der Schuldner- und Insolvenzberatung festgelegt.
Im Änderungsvertrag zwischen der Klägerin und dem Landkreis S vom 06.09.1994 heißt es unter § 2:
"Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem BAT-O und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung.
Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung."
Am 01.11.2009 traten neue tarifliche Regelungen für die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst im Anwendungsbereich des TVöD in Kraft. Bestandteil dieser Neuregelungen ist die Überleitung der betroffenen Beschäftigten in die neue Entgeltgruppe S der Anlage c (VKA) zum TVöD nebst des neu eingeführten § 28 a TVÜ-VKA. § 52 TVöD-BT-B regelt die Eingruppierung und das Entgelt der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst.
Der Vergütungsgruppe V b (1 a) - Allgemeine Verwaltung entspricht die Entgeltgruppe 9 TVöD. In diese hat der Beklagte die Klägerin eingruppiert.
Die Klägerin hat durch Schreiben ihres späteren Prozessbevollmächtigten vom 26.10.2010 an den Beklagten ihre Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 12 Entwicklungsstufe 5 sowie die Zahlung eines höheren Bruttoentgeltes in Höhe von 110,06 Euro je Monat rückwirkend ab April 2010 geltend gemacht, welche der Beklagte mit Schreiben vom 02.11.2010 und vom 11.06.2011 abgelehnt hat.
Die Klägerin hat einen Abschluss als Diplom-Ökonomin aufgrund eines Studiums der Fachrichtung "Volkswirtschaft" an der M Universität H am 30.07.1987 erlangt. Des Weiteren hat sie ein Verwaltungsdiplom betriebswirtschaftlicher Fachrichtung an der Verwaltungs-...