Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bei Wiederholungsgefahr mitbestimmungswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers. Mitbestimmung bei der jährlichen Aufstellung von Schichtplänen. Ausübung des Mitbestimmungsrechts durch eine Regelungsabrede
Leitsatz (redaktionell)
1. Dem Betriebsrat steht bei einer Verletzung seines Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 BetrVG neben dem Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG ein eigenständiger allgemeiner Unterlassungsanspruch zu. Dieser setzt aber die Wiederholungsgefahr eines mitbestimmungswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers voraus.
2. Der Betriebsrat hat bei der Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit mitzubestimmen, einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Dieses Mitbestimmungsrecht bezieht sich auch auf die Aufstellung von Schichtplänen.
3. Hat der Betriebsrat in einer Regelungsabrede mit dem Arbeitgeber seine Zustimmung vorab dazu erteilt, dass der Arbeitgeber die in den Schichtplänen festgelegten Schichtlängen im Einzelfall erhöhen kann, muss der Arbeitgeber für jeden solchen Einzelfall nicht noch einmal die Zustimmung des Betriebsrats einholen.
Normenkette
BetrVG § 23 Abs. 3, § 87 Abs. 1 Nr. 2+3; MTV Verkehrsbetriebe H.-H. AG § 12 Abs. 2 Fassung: 2014-02-06
Verfahrensgang
ArbG Elmshorn (Entscheidung vom 04.02.2016; Aktenzeichen 3 BV 27 d/15) |
Tenor
- Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 04.02.2016, Az. 3 BV 27 d/15, wird zurückgewiesen.
- Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten in der Beschwerdeinstanz noch darüber, ob der Betriebsrat die Unterlassung der Anordnung oder Duldung von Mehrarbeit sowie der Änderung der Arbeitszeiten der Mitarbeiter durch Einsatz in anderen Betrieben verlangen kann.
Die Antragsgegnerin (künftig: Arbeitgeberin) ist ein Verkehrsbetrieb im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs in H. und S.-H.. Sie unterhält insgesamt elf Betriebshöfe, von denen einer der Betrieb in S. ist. Die Arbeitgeberin beschäftigt insgesamt ca. 1.600 Mitarbeiter und setzt mehr als 500 Busse ein. Bei dem Antragsteller (künftig: Betriebsrat) handelt es sich um den für den Betriebshof S. gewählten 11-köpfigen Betriebsrat. Im S.er Betrieb sind rund 600 Arbeitnehmer beschäftigt.
Auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitgeberin findet der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Verkehrsbetriebe H.-H. AG in der Fassung vom 06.02.2014 (künftig: MTV) Anwendung. Soweit hier von Belang enthält dieser folgende Regelung:
" § 12 Dienstschicht und Ruhezeiten im Betriebs- und Verkehrsdienst
(1) ...
(2) Die planmäßige Dienstschicht darf an den Tagen Montag bis Freitag regelmäßig bis zu 9 Stunden 45 Minuten dauern. In Ausnahmefällen kann sie mit Zustimmung des Betriebsrats darüber hinaus ausgedehnt werden. An den Tagen Montag bis Freitag kann für 10 %, ab Juni 2013 5 %, der Dienstplanmasse je Betriebshof/Betriebsstelle die planmäßige Dienstschicht 10 Stunden dauern; jeder Arbeitnehmer darf jedoch nur zu 2 dieser verlängerten Dienstschichten je Kalendermonat eingeteilt werden. An den Tagen Samstag und Sonntag kann die planmäßige Dienstschicht 10 Stunden dauern.
..."
Am 04.08/05.08.2015 stimmte der Betriebsrat u.a. folgender Regelung zu (im Folgenden: Regelungsabrede, Bl. 75 d. A.):
" 1. Mehrleistung ausgelöst durch die Leitstelle
Ist unter folgenden Voraussetzungen möglich:
maximale Schichtlänge von Montag - Sonntag bis 9.45 Std
nach Anfrage auf freiwilliger Basis
befristet bis zum Fahrplanwechsel Dezember 2015 bei Nichteinhaltung wird die Zustimmung sofort aufgehoben.
Die Mitbestimmung des Betriebsrats bleibt unberührt.
2. Flexibler V-Wageneinsatz
ist unter folgenden Voraussetzungen möglich:
kann in unserem Bedienungsgebiet eingesetzt werden
muss vorrangig zur Unterstützung unserer betroffenen Linien erfolgen
maximale Schichtverlängerung von Montag - Sonntag bis 9.45 Std
nach Anfrage nur auf freiwilliger Basis
befristet bis zum Fahrplanwechsel Dezember 2015 bei Nichteinhaltung wird die Zustimmung sofort aufgehoben.
Die Mitbestimmung des Betriebsrats bleibt unberührt. "
Diese Regelungsabrede verlängerten die Betriebsparteien am 09.12.2015 (Bl. 246 d. A.). Die Arbeitgeberin stellt jeweils mit Zustimmung des Betriebsrats einmal jährlich die Dienstpläne, von welchen die jeweiligen Fahrpläne abhängig sind, auf. Es handelt sich um rund 300 Schicht- bzw. Dienstpläne. Diese planmäßigen Dienstschichten werden durch die Einsatzleitung im Falle von Personalausfällen oder Änderungen im Straßenverkehr den aktuellen tatsächlichen Gegebenheiten laufend angepasst. Die planmäßigen Schichten währen bis zu einer maximalen Dauer von 9: 45 Stunden inklusive einer 30-minütigen Pause, aber auch deutlich kürzer.
Im August 2015 wurde die maximale Schichtlänge von 9: 45 Stunden insgesamt 21 Mal überschritten. Es handelt sich um Zeitspannen zwischen 5 und 104 Minuten (Bl. 27 d. A.). Die Überschreitungen beruhten in 14 Fällen ...