Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung. Vorgreiflichkeit. Kündigungsschutzverfahren. Verzugslohn. Aussetzung: Vorgreiflichkeit eines Kündigungsrechtsstreits bei einer Klage auf Annahmeverzugslohn?
Leitsatz (amtlich)
Die Aussetzung eines Rechtsstreits über Annahmeverzugslohn gemäß § 148 ZPO kommt erst dann in Betracht, wenn die Vorgreiflichkeit des Kündigungsschutzverfahrens durch das Gericht positiv festgestellt werden kann (LAG Thüringen Beschl. v. 27.06.2001 – 6/9 160/00). In Anbetracht des in arbeitsgerichtlichen Verfahren ganz allgemein (§ 9 Abs. 1 ArbGG) und nicht nur bei Bestandsstreitigkeiten (§ 61 a Abs. 1 ArbGG) geltenden Beschleunigungsgrundsatzes hat das Arbeitsgericht den anhängigen Vergütungsprozess zumindest soweit voranzutreiben, dass die konkrete Entscheidung letztlich nur noch von der im Vorprozess zu klärenden Rechtsfrage (hier: Bestand des Arbeitsverhältnisses) abhängig ist. Erst dann setzt die Ermessensentscheidung über die Aussetzung des Verfahrens ein.
Normenkette
ZPO § 148; BGB § 615
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Beschluss vom 26.03.2009; Aktenzeichen 5 Ca 315/09) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 26.03.2009, Az.: 5 Ca 315/09, aufgehoben.
Tatbestand
I.
Die Parteien streiten im Hauptsacheverfahren im Wesentlichen über Verzugslohnansprüche, nachdem das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage des Klägers mit Urteil vom 22.01.2009 (1 Ca 2736/08) stattgegeben hatte. Das Kündigungsschutzverfahren ist zurzeit in zweiter Instanz anhängig (5 Sa 65/09).
Das Arbeitsgericht hat die Parteien in der Güteverhandlung unter Fristsetzung aufgefordert, zur beabsichtigten Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO Stellung zu nehmen.
Der Kläger hat der angekündigten Aussetzung widersprochen und sich auf den arbeitsgerichtlichen Beschleunigungsgrundsatz berufen. Im Zuge der Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass sich die Beklagte unstreitig in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation befinde, zudem verfüge er über keine Ersparnisse und müsse den Lebensunterhalt für seine vierköpfige Familie bestreiten.
Die Beklagte hat der Aussetzung des Verfahrens zugestimmt. Die Zahlungsklage sei vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits abhängig, da sie unstreitig Zeiträume nach Ablauf der Kündigungsfrist betreffe. Im Übrigen sei der Unterhalt des Klägers in Zukunft auch abgesichert, da er zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung mit Wirkung ab dem 13.03.2009 im Rahmen eines Prozessbeschäftigungsverhältnisses weiterbeschäftigt worden sei.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 26.03.2009 den Rechtsstreit nach § 148 ZPO wegen Vorgreiflichkeit bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsrechtsstreits (5 Sa 65/09) ausgesetzt. Der maßgebliche Zweck des § 148 ZPO sei die Prozessökonomie und damit die Vermeidung doppelter Prüfung derselben Streitfragen und nicht allein die Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen. Dies führt in
arbeitsgerichtlichen Verfahren in aller Regel dazu, dass Klagen auf Vergütung, die vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits abhängig sind, bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsrechtsstreits auszusetzen seien. Der Kläger habe kein besonderes Beschleunigungsinteresse dargelegt, insbesondere nicht eine Vereitelung der Vergütungsansprüche. Auch habe der Kläger Arbeitslosengeld und Wohngeld bezogen.
Gegen diesen ihm am 30.03.2009 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 09.04.2009 sofortige Beschwerde eingelegt.
Der Kläger trägt vor, die Aussetzung des Verfahrens widerspreche dem arbeitsgerichtlichen Beschleunigungsgrundsatz. Das Arbeitsgericht habe das Verfahren zumindest bis zur Entscheidungsreife ggf. durch konkrete Auflagen fördern und vorantreiben müssen. Erst nach vollständiger Aufklärung des Sachverhalts hätte das Arbeitsgericht prüfen können, ob es ggf. einer Aussetzung der Vergütungsklage bedurft hätte. Die Vereitelung der Vergütungsansprüche liege auf der Hand, da die Beklagte mehrfach auf ihre desolate wirtschaftliche Situation und drohende Insolvenz hingewiesen habe. Er sei auch wirtschaftlich auf den Lohn angewiesen und müsse sich nicht vorrangig auf die Geltendmachung „öffentlicher Hilfe” verweisen lassen. Im Übrigen könnte er in einem ausgesetzten Verfahren keine weiteren Ansprüche klagerweiternd einführen, sondern müsste mit neuem Kostenaufwand eine neue Zahlungsklage anhängig machen.
Mit Beschluss vom 29.04.2009 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. U.a. hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass bereits in der Güteverhandlung zum Ausdruck gekommen sei, dass die Voraussetzungen des Verzugslohnanspruchs, insbesondere die Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit des Klägers während des ggf. bestehenden Verzugslohnzeitraums, streitig werden könnten. Sowohl Zeitpunkt als auch Inhalt der richterlichen Auflagen stünden im Ermessen des Gerichts. Solange ein Verfahren ausgesetzt sei, bedürfe es jedoch entsprechender Auflagen nicht.
Ent...