Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung. förderliche Zeiten. Mitbestimmung. Betriebsrat. Tarifvertrag Versorgungsbetriebe

 

Leitsatz (amtlich)

Im Verfahren nach § 99 BetrVG zur Eingruppierung hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat nicht nur die vorgesehene Entgeltgruppe mitzuteilen, sondern auch die jeweilige Stufe und in welchem Umfang förderliche Zeiten berücksichtigt werden sollen.

 

Normenkette

BetrVG § 99; TV-V (Versorgungsbetriebe) § 5

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Beschluss vom 19.06.2007; Aktenzeichen 6 BV 8 b/07)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2. (Arbeitgeberin) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 19.06.2007 – 6 BV 8 b/07 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darum, ob die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2) dem Betriebsrat (Antragsteller) im Verfahren nach § 99 BetrVG nicht nur die vorgesehene Entgeltgruppe mitzuteilen hat, sondern auch die vorgesehene Stufe innerhalb der Entgeltgruppe und gegebenenfalls in welchem Umfange förderliche Zeiten berücksichtigt worden sind.

Im Betrieb der Arbeitgeberin gilt der Tarifvertrag Versorgungsbetriebe (TV-V) vom 5. Oktober 2000 in der Fassung des dritten Änderungstarifvertrages vom 1. Juni 2006. § 5 Abs. 1 TV-V sieht die Eingruppierung der Arbeitnehmer in eine bestimmte Entgeltgruppe vor. § 5 Abs. 2 TV-V lautet:

„(1)Die Entgeltgruppen 2 – 15 sind in sechs Stufen aufgeteilt. (2)Beginnend mit der Stufe 1 erreicht der Arbeitnehmer die jeweils nächste Stufe innerhalb seiner Entgeltgruppe unter Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit (§ 4) nach folgenden Zeiten:

Stufe 2 nach zwei Jahren in Stufe 1,

Stufe 3 nach zwei Jahren in Stufe 2,

Stufe 4 nach drei Jahren in Stufe 3,

Stufe 5 nach vier Jahren in Stufe 4,

Stufe 6 nach vier Jahren in Stufe 5.

(3)Förderliche Zeiten können für die Stufenzuordnung berücksichtigt werden. (4)Bei Leistungen, die erheblich über dem Durchschnitt liegen, kann die erforderliche Zeit in den Stufen verkürzt werden. (5)Bei Leistungen, die erheblich unter dem Durchschnitt liegen, kann die erforderliche Zeit in jeder Stufe einmal bis zur Hälfte verlängert werden. (6)Für Beschwerdefälle ist die betriebliche Kommission (§ 6 Abs. 5 mit dem entsprechenden Verfahren) zuständig.”

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin sei verpflichtet, ihm im Verfahren nach § 99 BetrVG bei der vorgesehenen Eingruppierung nicht nur die beabsichtigte Entgeltgruppe mitzuteilen, sondern auch die vorgesehene Stufe innerhalb der Entgeltgruppe. Dabei habe die Arbeitgeberin auch Auskunft darüber zu geben, in welchem Umfang förderliche Zeiten berücksichtigt worden seien. Bei der Zuteilung einer Stufe im Sinne von § 5 Abs. 2 TV-V und der Anerkennung von förderlichen Zeiten handele es sich um einen Akt der Rechtsanwendung. Es gehe um die einheitliche und gleichmäßige Anwendung der Lohn- und Gehaltsfindung in gleichen und vergleichbaren Fällen. Für ihn – Betriebsrat – sei es von Bedeutung, dass innerbetrieblich die Prinzipien der Lohngerechtigkeit und der Transparenz der Lohnfindung beachtet werden. Zu prüfen sei, ob überhaupt förderliche Zeiten im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 3 TV-V gegeben seien. Zudem sei es seine Aufgabe zu beurteilen, ob die Arbeitgeberin das ihr eingeräumte Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt habe. Dies diene dem Schutz der gesamten Belegschaft. Das Verfahren vor der betrieblichen Kommission für Beschwerdefälle schließe seine Beteiligungsrechte nicht aus.

Der Betriebsrat hat beantragt

festzustellen, dass die Arbeitgeberin im Verfahren nach § 99 BetrVG bei der Vornahme von Eingruppierungen und Eingruppierungen anlässlich von Einstellungen verpflichtet ist, neben der Entgeltgruppe bekannt zu geben, welcher Stufe im Sinne des § 5 Abs. 2 TV-V der Mitarbeiter beziehungsweise die Mitarbeiterin zugeordnet wird und in welchem Umfange förderliche Zeiten berücksichtigt worden sind.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Anerkennung von förderlichen Zeiten für eine erhöhte Einstufung sei von den Tarifvertragsparteien – zur Gewinnung von Personal in Knappheitssituationen – nicht als Rechtsanwendung gedacht gewesen. Der einzustellende Arbeitnehmer habe keinen tariflichen Anspruch darauf, dass förderliche Zeiten zu seinen Gunsten berücksichtigt werden. Die Anerkennung sei vielmehr eine einzelfallbezogene Ermessensentscheidung des Arbeitgebers und unterliege nicht der Mitbestimmung des Betriebsrates. Die Beurteilung, ob förderliche Zeiten gegeben seien, und die Entscheidung, ob und in welchem Umfange diese angerechnet werden, liege in seinem Ermessen und sei Gegenstand der individuellen Arbeitsvertragsverhandlungen. Ein Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats im Sinne einer Richtigkeitskontrolle von Rechtsanwendung könne bei derartigen Zweckmäßigkeitserwägungen schon begrifflich nicht bestehen.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, § 5 Abs. 2 TV-V enthalte eine Regelung, deren Einhaltung vo...

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