Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsratswahl. Prüfung von Wahlvorschlägen. Rechtzeitige Prüfung von Wahlvorschlägen

 

Leitsatz (amtlich)

Der Wahlvorstand hat kurz vor Ablauf der Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen, insbesondere am vorletzten und letzten Tag vor Fristablauf, Vorkehrungen zu treffen, damit er eingehende Wahlvorschläge möglichst sofort prüfen und die Listenvertreter über etwaige Mängel informieren kann. Verletzt er diese Pflicht, kann dies zur Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl führen.

 

Normenkette

WO § 7 Abs. 2 S. 2; BetrVG § 19 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Flensburg (Beschluss vom 08.06.2006; Aktenzeichen 2 BV 11/06)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beteiligten zu 20. (Betriebsrat) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Flensburg vom 08.06.2006 – 2 BV 11/06 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.

Die zu 21. beteiligte Arbeitgeberin beschäftigt etwa 3.900 Arbeitnehmer. Die Mitarbeiter arbeiten in zahlreichen über das gesamte Bundesgebiet verteilten Filialen. Ein Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 lit. a BetrVG sieht vor, dass im Unternehmen der Arbeitgeberin ein unternehmenseinheitlicher Betriebsrat zu bilden ist. Aufgrund der Beschäftigtenzahl besteht der Betriebsrat aus 25 Mitgliedern.

Im Unternehmen der Arbeitgeberin fand am 16.03.2006 eine Betriebsratswahl statt, aus der der zu 20. beteiligte Betriebsrat hervorging. Zur Vorbereitung der Wahl hatte der Wahlvorstand am 01.02.2006 ein Wahlausschreiben erlassen. Darin wurden die wahlberechtigten Arbeitnehmer aufgefordert, „vor Ablauf von zwei Wochen, spätestens bis zum 15.02.2006, 18.00 Uhr, Vorschlagslisten per Post beim Wahlvorstand E. W., H.H.-Str. …, 2… E., einzureichen”. Wegen der Einzelheiten des Wahlausschreibens wird auf Blatt 20 f. der Akte verwiesen.

Dem Wahlvorstand gehörten neben Herrn W… als Vorsitzenden die Beteiligten zu 1., 8. und 18. sowie der nunmehrige Betriebsratsvorsitzende Herr W… an. Alle Wahlvorstandsmitglieder waren Mitglieder des vorigen Betriebsrats. Mit seiner Mehrheit hatte der Wahlvorstand beschlossen, eingegangene Vorschlagslisten am 17.02.2006 zu prüfen.

Am 14.02.2006 um 12.30 Uhr übergab der Beteiligte zu 1. im Anschluss an eine Betriebsratssitzung Herrn W… eine mit dem Kennwort „Zeit für Taten” versehene Vorschlagsliste. Der Beteiligte zu 1. war Listenführer dieser Vorschlagsliste. Am Abend desselben Tages kamen Herr W. Zweifel, ob die Liste gültig ist. Am Morgen des folgenden Tages nahm er deshalb Kontakt zu dem Justitiar der Arbeitgeberin auf und besprach die Angelegenheit mit ihm.

Am 15.02.2006 ging gegen 10.00 Uhr beim Wahlvorstand eine Vorschlagsliste mit dem Kennwort „Mit Blick auf die Zukunft” ein. Am Nachmittag dieses Tages, nicht vor 16.00 Uhr, teilte Herr W. dem Beteiligten zu 1. telefonisch mit, dass die Anzahl der Stützunterschriften für die von ihm eingereichte Vorschlagsliste „Zeit für Taten” nicht ausreichen würde und die Liste deshalb wohl ungültig sei.

Der Wahlvorstand prüfte in seiner Sitzung am 17.02.2006 die Rechtmäßigkeit der beiden eingereichten Vorschlagslisten. Er beschloss, beide Listen für ungültig zu erklären.

Durch Beschluss des Arbeitsgerichts Flensburg vom 23.02.2006 (2 BV Ga 8/06) wurde der Wahlvorstand verpflichtet, die Liste „Mit Blick auf die Zukunft” zur Betriebsratswahl zuzulassen. Dieser Beschluss ist rechtskräftig geworden.

Die Betriebsratswahl wurde am 16.03.2006 nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl mit den auf der Vorschlagsliste „Mit Blick auf die Zukunft” aufgeführten 25 Bewerbern durchgeführt. Am 22.03.2006 gab der Wahlvorstand das Wahlergebnis bekannt (vgl. Bl. 23 d.A.).

Mit der am 30.03.2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift haben die Beteiligten zu 1. bis 19. (Antragsteller) die Betriebsratswahl angefochten.

Die Antragsteller haben die Auffassung vertreten, die Betriebsratswahl sei aus mehreren Gründen unwirksam. Die Liste „Mit Blick auf die Zukunft” sei nicht ordnungsgemäß zustande gekommen. Es sei davon auszugehen, dass vor Leistung der ersten Stützunterschrift noch keine Liste mit 25 Wahlbewerbern, sondern allenfalls eine mit 22 Wahlbewerbern, vorgelegen habe. Das sei die Kandidatenzahl am 14.02.2006 gewesen. Nach Leistung der ersten Stützunterschrift sei zudem die Reihenfolge der Kandidaten auf der Liste geändert worden.

Ein weiterer Mangel liege darin, dass nicht in allen Filialen das Wahlausschreiben in der gebotenen Weise veröffentlicht worden sei. Zum Beispiel in der G. Filiale sei dies verspätet geschehen.

Die Unwirksamkeit der Betriebsratswahl folge schließlich daraus, dass der Wahlvorstand unter Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Satz 2 Wahlordnung (WO) die Vorschlagsliste „Zeit für Taten” nicht unverzüglich geprüft habe. Bei sofortiger Unterrichtung, jedenfalls bis zum 15.02.2006 Mittags, hätte innerhalb der Einreichungsfrist ein gültiger Wahlvorschlag eingereicht werden können. Der Wahlvorstand hätte Vorkehrungen treffen müssen, um kurzfristig zusammenzutreten ...

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