Entscheidungsstichwort (Thema)

Versäumnis der Berufungsfrist und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wenn eine Partei ohne ihr Verschulden gehindert war, die Frist zur Einlegung der Berufung zu wahren, kann ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Dabei steht gem. § 85 Abs. 2 ZPO ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleich.

2. Die Sorgfaltspflicht eines Rechtsanwalts in Fristensachen verlangt zuverlässige Vorkehrungen, um den rechtzeitigen Ausgang fristwahrender Schriftsätze sicherzustellen. Allein die Führung eines Fristenkalenders genügt nicht für eine zuverlässige Ausgangskontrolle. Vielmehr muss sichergestellt werden, das die im Fristenkalender vermerkten Fristen erst dann gestrichen werden, wenn die Maßnahme tatsächlich durchgeführt ist. Andernfalls liegt ein Organisationsverschulden in der Sphäre des Prozessbevollmächtigten vor.

 

Normenkette

ZPO § 85 Abs. 2, § 233

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Entscheidung vom 31.07.2019; Aktenzeichen 1 Ca 148 e/19)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers vom 09.10.2019 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.

Die Berufung des Klägers vom 09.09.2019 gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 31.07.2019 - Az. 1 Ca 148 e/19 - wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung, die auf einem Interessenausgleich mit Namensliste basiert. Es sind diverse Parallelrechtsstreitigkeiten beim Landesarbeitsgericht anhängig, in denen die Kläger/innen von der Kanzlei des hiesigen Prozessbevollmächtigten vertreten werden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen das dem Kläger am 08.08.2019 zugestellte Urteil hat dieser am Montag, den 09.09.2019 Berufung eingelegt. Mit Verfügung vom 10.09.2019 wurde er darauf hingewiesen, dass die Berufungsbegründungsfrist zwei Monate nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils abläuft. Die Frist verstrich ungenutzt. Einen Tag später, mit einem beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 09.10.2019 beantragte der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist. Die Berufung selbst wurde mit Schriftsatz vom 18.10.2019 begründet.

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags vom 09.10.2019 führt der Kläger an, die Mitarbeiterin des Prozessbevollmächtigten sei angewiesen worden, in allen gegen die Beklagte laufenden Verfahren Fristverlängerung für die Berufungsbegründungsfrist zu beantragen. Die Berufungsbegründungsfristen seien korrekt notiert gewesen. Während die Berufungsbegründungsfristen in allen anderen Verfahren bereits am 07.10.2019 abliefen, sei in dieser Sache korrekt der Fristablauf für den 08.10.2019 notiert worden. Es habe sich aber im vorliegenden Rechtsstreit bereits für den 09.10.2019 ein Diktat im Diktatpool befunden. Die Mitarbeiterin sei daher davon ausgegangen, in diesem Rechtsstreit sei kein Fristverlängerungsantrag erforderlich. Da die Mitarbeiterin bislang immer gewissenhaft, fehlerfrei und eigenverantwortlich gearbeitet habe, habe für eine erneute Kontrolle durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers keine Veranlassung bestanden.

Die zum Wiedereinsetzungsantrag des Klägers angehörte Beklagte hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Der Wiedereinsetzungsantrag sei unbegründet. Ein Wiedereinsetzungsgrund sei weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht worden und existiere auch nicht. Es sei nicht nachvollziehbar, welche Relevanz ein Diktat, das am 09.10.2019 abgearbeitet werden sollte, für eine am 08.10.2019 ablaufende Frist haben könne. Es fehle jegliches Vorbringen des Prozessbevollmächtigten des Klägers zum Streichen einer für den 08.10.2019 notierten Frist. Jedenfalls aber sei nichts zur Fristenüberwachung, Fristenerledigung und Fristenkontrolle im Büro des Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgebracht, deren Organisation durch Erteilung entsprechender eindeutiger Anweisungen dem Anwalt obliege. Er habe für die Festlegung klarer Zuständigkeiten zu sorgen und mindestens stichprobenartige Kontrollen durchzuführen. Letztendlich sei auch die Berufungsbegründung nicht innerhalb der Frist des § 236 Abs. 2 ZPO nachgereicht worden.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers ist unzulässig. Der Kläger hat die Berufungsbegründungsfrist versäumt. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist unbegründet.

A. Sie ist nicht innerhalb der gesetzlichen Frist des § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG begründet worden. Folglich ist seine Berufung als unzulässig zu verwerfen, § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO.

Der Kläger hat die Frist zur Begründung der Berufung (§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) versäumt. Das stellt er nicht in Abrede. Die Frist zur Berufungseinlegung beginnt mit dem Tag der Zus...

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