Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an einen wirksamen Prozesskostenhilfeantrag. Rechtzeitigkeit des Prozesskostenhilfeantrags
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein wirksamer Prozesskostenhilfeantrag ist erst dann gestellt, wenn die Erklärung über die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse eingereicht ist. Dazu zählen Antragstellung, Formularbenutzung und Belegvorlage.
2. Gem. § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO erfolgt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für jeden Rechtszug gesondert. Grundsätzlich muss der Antrag vor Abschluss der Instanz gestellt werden, denn Prozesskostenhilfe kann nur für eine "beabsichtigte" Rechtsverfolgung gewährt werden. Werden Formulare oder Belege nachgereicht, ist eine auf den Zeitpunkt der Antragstellung rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe noch möglich, auch wenn die Instanz inzwischen beendet worden ist.
Normenkette
ZPO § 114 S. 1, § 117 Abs. 2, § 119 Abs. 1 S. 1; PKH FV § 1 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Neumünster (Entscheidung vom 28.03.2017; Aktenzeichen 4 Ca 1222 b/16) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Neumünster vom 28.03.2017 - 4 Ca 1222 b/16 - abgeändert.
Dem Beklagten wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten für die Zeit ab dem 19.12.2016 bewilligt. Er hat sich mit monatlichen Raten in Höhe von 109,00 EUR an den Kosten der Prozessführung zu beteiligen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Beklagte gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe.
Im Hauptsacheverfahren stritten die Parteien um Zahlung. Der Kläger verlangte vom Beklagten Schadensersatz in Höhe von 4.483,33 EUR.
Am 01.12.2016 beantragte der Beklagte Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Verteidigung gegen die Klage. Am 19.12.2016 übersandte er die Kopie einer von ihm unterschriebenen Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Dem Schreiben waren Belege beigefügt. Weitere Belege übersandte der Beklagte am 09.02.2017. Mit Verfügung vom 20.02.2017 forderte das Arbeitsgericht den Beklagten auf, das Original der PKH-Erklärung herzugeben. Der Beklagte behauptete mit Schriftsatz vom 27.02.2017, dass keine Originale der PKH-Erklärung vorlägen; die Formulare seien direkt an das Arbeitsgericht weitergeleitet worden.
Mit Verfügung vom 28.03.2017 übersandte das Arbeitsgericht die in Kopie vorliegende Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mit der Bitte, diese vom Beklagten unterzeichnen zu lassen. Nachdem der Beklagte dieser Aufforderung nicht nachgekommen war, versagte das Arbeitsgericht ihm mit Beschluss vom 28.03.2017 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte habe es trotz gerichtlichen Hinweises unterlassen, einen PKH-Antrag im Original vorzulegen bzw. die ihm übersandten Kopien unterschrieben zurückzusenden.
Gegen diesen ihm am 04.04.2017 zugestellten Beschluss hat der Beklagte am 25.04.2017 Beschwerde eingelegt und einen mit Originalunterschrift versehenen Erklärungsvordruck beigefügt.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen, da erst nach Abschluss der Instanz (08.04.2017) ein vollständiger PKH-Antrag vorgelegen habe.
II.
1. Die als sofortige Beschwerde zu wertende Beschwerde des Beklagten ist zulässig ( § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO ). Sie ist statthaft und form- sowie fristgerecht eingelegt worden.
2. Die sofortige Beschwerde ist auch begründet. Das Arbeitsgericht hat dem Beklagten zu Unrecht Prozesskostenhilfe versagt.
a) Gemäß § 114 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Nach § 117 Abs. 2 ZPO sind dem Antrag eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen. Soweit Formulare für die Erklärung eingeführt sind, muss sich die Partei ihrer bedienen ( § 117 Abs. 4 ZPO ). Gemäß § 1 Abs. 1 Prozesskostenhilfeformularverordnung (PKH FV) vom 22.01.2014 ist für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO das ab 22.01.2014 bestimmte Formular zu verwenden.
b) Gemäß § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO erfolgt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für jeden Rechtszug besonders. Grundsätzlich muss der Antrag vor Abschluss der Instanz gestellt werden, denn Prozesskostenhilfe kann nur für eine "beabsichtigte" Rechtsverfolgung gewährt werden ( § 114 Satz 1 ZPO ). Ein wirksamer Prozesskostenhilfeantrag ist erst dann gestellt, wenn die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht ist (vgl. LAG Schleswig-Holstein, 04.01.2006 - 2 Ta 268/05 - ). Fallen Antragstellung, Formularbenutzung im Sinne des § 117 Abs. 4 ZPO und Belegvorlage im Sinne des § 117 Abs. 2 ZPO auseinander, dann ist frühester Bewilligungszeit...