Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Erhöhung des Vergleichsmehrwerts ohne streitige Verhandlung. Keine Erhöhung des Vergleichsmehrwerts bei Mitregelung eines Antrags als Gegenleistung für die Beilegung des Rechtsstreits. Maßgebliche Grundlagen für die Wertfestsetzung von Vergleichen nach § 278 Abs. 6 ZPO

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Vergleichsmehrwert für eine im Rahmen eines Vergleichs mitgeregelte Freistellung fällt nur an, wenn dargelegt ist, dass die Parteien hierüber streitig verhandelt haben. Eine Erhöhung des Vergleichsmehrwertes ohne streitige Verhandlung mit der Begründung, bei diesen Vereinbarungen handele es sich um Streitgegenstände über die typischerweise im Rahmen einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses gestritten werde, ist kein angemessenes Abgrenzungskriterium. Ein derartiges Abgrenzungskriterium würde zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Anhebung der Vergleichswerte führen. Maßgeblich für die Festsetzung ist jedoch § 3 ZPO sowie die allgemeine Rechtsprechung der Obergerichte unter Einbeziehung des Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichtsbarkeit.(Rn.15)

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Werterhöhung tritt nicht ein, wenn es sich bei einer im Rahmen des Vergleichs mitgeregelten Freistellung lediglich um eine Gegenleistung zur Beilegung des Rechtsstreits handelt.

 

Normenkette

RVG § 33 Abs. 3 S. 1; ZPO §§ 3, 278 Abs. 6; GKG § 42 Abs. 2; RVG § 33 Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Entscheidung vom 28.06.2023; Aktenzeichen 6 Ca 796/23)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägerinvertreters vom 28.06.2023 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 28.06.2023 - 6 Ca 796/23 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin begehrt eine Heraufsetzung des Streitwertes aus einem Kündigungsschutzverfahren.

Die Parteien führten einen Kündigungsrechtsstreit.

Das Verfahren wurde vergleichsweise mit einem Beschluss vom 02.06.2023 nach § 278 Abs. 6 ZPO beendet. In dem Vergleich wurde unter Ziffer 1 das Ende des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31.08.2023 festgestellt. Unter Ziffer 3 vereinbarten die Parteien, dass die Klägerin bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Fortzahlung ihrer vertragsgemäßen Bezüge (vgl. Ziffer 4 dieses Vergleichs) und unter Anrechnung auf Urlaubs- und sonstige Freizeitausgleichsansprüche unwiderruflich von der Arbeitsleistung freigestellt bleibt.

Mit Schriftsatz vom 06.06.2023 beantragte der Klägerinvertreter Streitwertfestsetzung. Mit Verfügung vom 07.06.2023 hörte das Arbeitsgericht die Parteien zur Streitwertfestsetzung für die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 16.520,56 Euro an und begründet die Höhe damit, dass für die Kündigung nach § 42 Abs. 2 GKG drei Bruttomonatsgehälter der Klägerin in Ansatz gebracht werden sollen. Hinzu komme der Zeugnisantrag, der mit einem Gehalt bewertet werde. Nach Ablauf der Anhörungsfrist, in der keine Stellungnahmen der Prozessvertreter eingingen, setzte das Arbeitsgericht den Streitwert entsprechend fest. Nachdem der Beschluss des Arbeitsgerichts dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 28.06.2023 zugestellt worden ist, legte dieser - auch im eigenen Namen - am gleichen Tag Streitwertbeschwerde ein und begründete diese damit, dass die im Vergleich geregelte Freistellung der Klägerin bis 31.08.2023 nicht berücksichtigt worden sei und deshalb pauschalierend ein Monatsgehalt des Arbeitnehmers festzusetzen sei. Der Freistellungsanspruch sei das "Gegenstück" zu Beschäftigungsanspruch, der nach dem Streitwertkatalog ebenfalls mit einem Bruttomonatsgehalt festzusetzen sei. Dieser sei als Vergleichsmehrwert festzusetzen.

Mit Beschluss vom 29.06.2023 half das Arbeitsgericht der Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht ab und legte die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor. Das Arbeitsgericht führte in seiner Begründung aus, dass die Beschwerde schon unzulässig sei, da der Wert des Beschwerdegegenstands nach der Berechnung des Arbeitsgerichts schon nicht 200,00 EUR übersteige. Die Einigungsgebühr belaufe sich ohne zusätzlichen Vergleichsmehrwert auf 770,00 EUR. Mit dem vom Beschwerdeführer begehrten Mehrwert belaufe sich diese auf 822,00 EUR. Die Differenz liege somit unter 200,00 EUR.

Die Beschwerde sei im Übrigen auch nicht begründet. Ein Mehrwert für die Regelung über die Freistellung sei nicht ersichtlich. Das gelte unabhängig von der Frage, ob die Parteien im Rahmen der Vergleichsverhandlungen über den Zeitpunkt bzw. die Dauer der letztlich vereinbarten Freistellung verhandelt hätten. Denn eine in einem Vergleich enthaltene Freistellungsvereinbarung sei werterhöhend, wenn über die Frage eines Anspruchs oder Rechts auf Weiterbeschäftigung oder Freistellung bis zum Beendigungstermin zwischen den Parteien ein Streit oder eine Ungewissheit bestanden haben (LAG Düsseldorf, Beschluss vom 09.06.2017 - 4 Ta 210/17). Das komme etwa bei einer unberechtigten Suspendierung des Arbeitnehmers nach Ausspruch der Kündigung, gegen die sich ...

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