REVISION / RECHTSBESCHWERDE / REVISIONSBESCHWERDE / ZUGELASSEN NEIN
Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsratswahl. Anfechtung. Wahlverfahren. Minderheitenschutz. Gruppenwahl. Gemeinschaftswahl. Gruppenfremd. Vertreter der Minderheitsgruppe. Wahlvorschlag
Leitsatz (amtlich)
Bei der Betriebsratswahl ist die Erkennbarkeit der Gruppenentscheidung ein so wesentliches Merkmal des Schutzes der Minderheitengruppen, daß die Wahl eines gruppenfremden Arbeitnehmers nach § 12 Abs. 2 Betr.VerfG –eines Angehörigen der anderen Gruppe – nicht im Wege der Gemeinschaftswahl, sondern nur im Wege der Gruppenwahl erfolgen darf. Das gilt auch dann, wenn die Gruppen beschlossen haben, daß die Gemeinschaftswahl durchgeführt wird. Die gleichwohl durchgeführte Gemeinschaftswahl stellt sich als grober Verstoß gegen die Vorschriften über das Wahlverfahren dar und führt regelmäßig zur begründeten Wahlanfechtung.
Normenkette
Betr.verfG § 19 Abs. 2, § 10 Abs. 1, § 12 Abs. 1-2
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Beschluss vom 26.05.1987; Aktenzeichen 3 BV 17/87) |
Tenor
Der Beschluß des Arbeitsgerichts Lübeck vom 26. Mai 1987 – 3 BV 17/87 – wird abgeändert.
Es wird festgestellt, daß die bei der Firma R. G. V. GmbH & Co. KG, H. R., am 08. April 1987 durchgeführte Betriebsratswahl ungültig ist.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob aufgrund der Wahlanfechtung die Betriebsratswahl vom 08.04.1987 ungültig ist.
Die antragstellende Arbeitgeberin produziert und vertreibt Getränke mit 29 – 35 Angestellten und 57 – 64 Arbeitern. Vor der Neuwahl des Betriebsrats haben die wahlberechtigten Angehörigen der Angestelltengruppe und der Arbeitergruppe in getrennten, geheimen Abstimmungen die gemeinsame Wahl gemäß § 14 Abs. 2 BetrVG beschlossen. Der beim Wahlvorstand zunächst eingegangene Wahlvorschlag enthielt unter der laufenden Nr. 5 den gewerblichen Arbeitnehmer K. mit der Tätigkeitsbeschreibung „Maschinenführer”. In der Spalte „Arbeitnehmergruppe” war er als „Kandidat für die Angestellten” angegeben. Im 2. Wahlvorschlag war als einziger Kandidat der Meister S. als Angestellter aufgeführt. Der Wahlvorstand gab beide Listen als gültig anerkannte Vorschlagslisten bekannt. In der Bekanntmachung erschien unter laufender Nr. 5 der Arbeitnehmer K., „beschäftigt als Maschinenführer, gruppenfremder Kandidat für Angestellte”. Im Wahlvorstand war auch der Betriebsratsvorsitzende der Antragstellerin vertreten. Dieser Wahlvorstand teilte unter dem 10.03.1987 folgendes mit:
Herrn S. / K. / Ü. / B
Betr.: Ihr Einspruch vom 09.03.1987 / Eingang 10.03.1987 Auch Arbeitnehmer, die nur stundenweise beschäftigt werden, sind wahlberechtigt. Arbeitet jemand in 2 Betrieben, ist es entscheidend, daß er zum Betriebsinhaber in einem Arbeitsverhältnis steht. (Herr R. / Herr F.) s. Betriebsverfassungsgesetz § 5. Der Wahlvorstand lehnt deshalb die Ansprüche gegen die Wählerliste ab.
Sechs Arbeitnehmer der Antragstellerin wandten sich am 25.03.1987 an den Wahlvorstand mit folgendem Schreiben:
Die Unterzeichner haben nach Aushang der Kanditatenlisten sich darüber informiert, daß die ANGESTELLTENLISTE möglicherweise keine Chance hat, weil in der LISTE 1 ein gruppenfremder gewerblicher Kandidat als Angestellter kandidiert. Damit sind wir nicht einverstanden. Nach unserer Information muß darüber eine geheime Abstimmung stattfinden.
Der Wahlvorstand gab unter dem 09.04.1987 das Wahlergebnis dahin bekannt:
Bei der am 08. April 1987 stattgefunden Betriebsratwahl im Betrieb R. G. V. GmbH & Co. KG sind 70 gültige Stimmen abgegeben worden. Davon entfielen auf
Vorschlagsliste I |
52 Stimmen |
Vorschlagsliste II |
18 Stimmen. |
Zu wählen waren 5 Betriebsratsmitglieder davon 4 Arbeiter und 1 Angestellter. Es sind somit gewählt von der
Vorschlagsliste I |
5 Betriebsratsmitglieder |
darunter 4 Arbeiter und 1 Angestellter.
Der Betriebsrat setzt sich wie folgt zusammen:
W., R. Schlosser |
gew. AN |
S., S. Vorarbeiterin |
gew. AN |
B., H. Schlosser |
gew. AN |
N., I. Raumpflegerin |
gew. AN |
K., C. Maschinenführer |
gruppenfremdes BR-Mitglied für die Angestellten Gruppe. |
Mit dem bei dem Arbeitsgericht Lübeck am 16.04.1987 eingegangenen Antrag hat die Antragstellerin die Betriebsratswahl angefochten.
Die Antragstellerin hat gerügt, daß der Wahlvorstand den seinerzeit amtierenden und jetzt wiedergewählten Betriebsratsvorsitzenden zu seinem Mitglied bestellt hat. Sie hat die Wählerliste für falsch gehalten. Auf dieser Liste sind die Arbeitnehmer E., I., P., S. und S. als gewerbliche Arbeitnehmer aufgeführt. Die Antragstellerin hat hierzu vorgetragen, diese Mitarbeiter seien bei den vorangegangenen Betriebsratswahlen regelmäßig in der Gruppe der wählbaren Angestellten enthalten gewesen. Sie seien aufgrund vertraglicher Vereinbarung zu Angestelltenkonditionen bei der Antragstellerin tätig. E. und I. seien Obermaschinenführer mit Weisungsbefugnis. P. und S. seien Vorarbeiter, und S. arbeite als Elektriker. Die ebenfalls auf der Wählerliste als gewerbliche Arbeitnehmer aufgeführten Mitarbeiter B. und U. seien bei der Antragstellerin nicht tätig....