Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das Prozesskostenhilfeverfahren bietet den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatgrundsatz erfordert, nicht selbst, sondern macht ihn erst zugänglich. Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und diese an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Daraus folgt, dass der Erfolg des Rechtsschutzbegehrens nicht gewiss sein muss. Die hinreichende Aussicht auf Erfolg ist nur dann zu verneinen, wenn diese nur entfernt oder schlechthin ausgeschlossen ist. Die hinreichende Erfolgsaussicht ist somit gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Kommt eine Beweisaufnahme im Hauptverfahren ernsthaft in Betracht, ist hinreichende Erfolgsaussicht regelmäßig zu bejahen.

2. § 124 ZPO ist bei geänderter Beurteilung der Erfolgsaussicht nicht anwendbar.

 

Normenkette

ZPO § 114

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Beschluss vom 17.01.2011; Aktenzeichen 3 Ca 1884/10)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 17.01.2011 aufgehoben.

Die Sache wird an das Arbeitsgericht Lübeck zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger erhob am 05.08.2010 Kündigungsschutzklage. Gleichzeitig beantragte er, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten zu bewilligen. Seine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen ging am 12.08.2010 beim Arbeitsgericht ein. Im Gütetermin am 28.09.2010 schlossen die Parteien einen Vergleich. Das Arbeitsgericht gab dem Kläger in dem Termin Gelegenheit, dem Gericht unverzüglich eine Kopie der Verdienstabrechnung September 2010 nachzureichen.

Mit Schreiben vom 07.und 12.10.2010 erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger und dem Arbeitsgericht die Anfechtung der Zustimmung zum Vergleich wegen arglistiger Täuschung.

Das Arbeitsgericht setzte dem Kläger mit Verfügung vom 15.10.2010 für ergänzende Angaben zu seinem Prozesskostenhilfegesuch eine Frist bis zum 29.10.2010. Mit Schriftsatz vom 28.10.2010 beantwortete der Kläger die Fragen und überreichte weitere Belege.

Das Arbeitsgericht führte am 07.12.2010 eine Beweisaufnahme durch und wies anschließend die Klage ab.

Mit Beschluss vom 17.01.2011 hat das Arbeitsgericht den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen und zur Begründung auf das Urteil vom 07.12.2010 Bezug genommen.

Gegen diesen Beschluss hat der Kläger am 10.02.2011 Beschwerde eingelegt. Er meint, seine Rechtsverfolgung sei in erster Instanz nicht offensichtlich aussichtslos gewesen.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie mit Beschluss vom 05.05.2011 dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein zur Entscheidung vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die als sofortige Beschwerde zu wertende Beschwerde des Klägers ist gemäß §§ 11 a Abs. 3 ArbGG, 127 Abs. 2 Satz 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und im Übrigen auch zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht (§ 78 ArbGG, §§ 569, 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO) eingelegt.

2. Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.

a. Nach § 11 a Abs. 3 ArbGG i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO erhält ein Prozessbeteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht und nicht mutwillig erscheint. Zwar ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet Art. 3 Abs. 1 GG i. v. m. Art. 20 Abs. 3 GG jedoch eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (Bundesverfassungsgericht 20.02.2002 – 1 BvR 1450/00 –). In der Folge dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überzogen werden, weil das Prozesskostenhilfeverfahren den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatgrundsatz erfordert, nicht selbst bietet, sondern ihn erst zugänglich macht (Bundesverfassungsgericht 06.05.2009 – 1 BvR 439/08 –; 14.03.2003 – 1 BvR 1998/02 –). Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und diese an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Daraus folgt, dass der Erfolg des Rechtsschutzbegehrens nicht gewiss sein muss. Die hinreichende Aussicht auf Erfolg ist nur dann zu verneinen, wenn di...

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