Entscheidungsstichwort (Thema)
Kosten eines Privatgutachtens als prozessbezogene Kosten. Strenge Prüfung der Sachdienlichkeit der Einholung eines Privatgutachtens für den Prozess
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind erstattungsfähige notwendige Kosten solche Kosten, die für Maßnahmen anfallen, die eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei als sachdienlich ansehen darf. Für die Beurteilung der Notwendigkeit ist auf den Zeitpunkt der Veranlassung der die Kosten auslösenden Maßnahme abzustellen. Zu den erstattungsfähigen Kosten können ausnahmsweise die Kosten für die Erstattung eines Privatsachverständigengutachtens gehören.
2. Ist der Prozesspartei, die ein Privatgutachten einholt, im Prozess ein effektiver Parteivortrag zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange möglich, ist die Einholung eines Privatgutachtens nicht sachdienlich und damit bei den Prozesskosten nicht erstattungsfähig. Wäre trotz ausreichenden Parteivortrags noch ein Sachverständigenbeweis erforderlich gewesen, hätte es in der Sphäre des prozessführenden Gerichts gelegen, von Amts wegen ein Sachverständigengutachten einzuholen.
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1, § 103
Verfahrensgang
ArbG Flensburg (Entscheidung vom 26.07.2017; Aktenzeichen 1 Ca 1012/16) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Flensburg vom 26.07.2017 - 1 Ca 1012/16 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten darum, ob der Kläger nach Rücknahme seines Kündigungsschutzantrages der Beklagten die Kosten eines von ihr eingeholten Privatgutachtens zu erstatten hat.
Der Kläger legte der Beklagten am 15.08.2016 die Kopie eines auf seinen Namen ausgestellten Zertifikats als European Welding Engineer vor. Bei der Beklagten entstand der Verdacht, es könne sich dabei um eine Fälschung handeln. Sie holte deshalb eine Stellungnahme der Hauptgeschäftsstelle des Deutschen Verbandes für S. und angewandte Verfahren in Düsseldorf (DVS) ein. Der dortige stellvertretende Geschäftsführer Metzger informierte die Beklagte mit Schreiben vom 07.09.2016 (Bl. 36 d. A.), das Diplom als European Welding Engineer mit dem Zertifikat sei nicht vom DVS ausgestellt worden. Die S. L. T. sei nie berechtigt gewesen, den S.-fachingenieur auszubilden. Die entsprechenden Vordrucke für den S.-fachingenieur würden nur an entsprechend autorisierte Stellen geliefert. Die S. L. T. könne nur den S.-fachmann ausbilden und entsprechende Dokumente erstellen. Die Zertifikatnummer entspreche nicht den Vorgaben des DVS-Systems. Im Übrigen sei es sehr unwahrscheinlich, dass Herr Sch. (Kläger) am selben Tag einmal eine S.-fachmann-Prüfung ablege und danach eine S.-fachingenieur-Prüfung.
Nach Zugang dieses Schreibens führte die Beklagte mit dem Kläger am 09.09.2016 ein Gespräch, in dem dieser bestritt, das Zertifikat gefälscht zu haben.
Am 13.09.2016 überließ die Beklagte dem Bezirksverband L. des DVS ebenfalls eine Kopie des Zertifikats des Klägers als European Welding Engineer mit der Bitte um Stellungnahme. Der Vorsitzende des Prüfungs- und Zertifizierungsausschusses H./S.-H. (S. L.- und V. N. gGmbH) nahm am 23.09.2016 zu dem Überprüfungsantrag der Beklagten Stellung und führte aus, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine Fälschung handele. Dennoch beruhten die Erkenntnisse seines Erachtens ausschließlich auf Indizien. Die ausstellende Stelle L.-T. habe keine Original-Unterlagen mehr, so dass es keinen eindeutigen dokumentierten Nachweis des Originalzeugnisses gebe. Die Zertifikatsnummer im EWE-Zeugnis in Gegenüberstellung mit dem EWS-Zeugnis sei anders aufgebaut, was ein weiteres Indiz für eine Fälschung sei. Es stelle sich die Frage, ob Herr Sch. (Kläger) überhaupt die Zulassungsvoraussetzungen zum EWE (abgeschlossenes Hochschulstudium) damals erfüllt habe. Denn wer kein Ingenieur sei, werde definitiv nicht zur SVI/EWE-Prüfung zugelassen. Des weiteren sei die SL L.-T. nicht berechtigt, ein SVI/EWE-Zeugnis auszustellen. Auch sei es unüblich bis unmöglich, beide Prüfungen an einem Tag abzulegen. Alle Fakten deuteten auf eine Fälschung hin. Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichte Kopie (Bl. 39 d. A.).
Am 19.09.2016 führte die Beklagte mit dem Kläger in Anwesenheit von dessen Rechtsanwalt über diesen Sachverhalt nochmals ein Gespräch. Der Kläger legte dabei seine Zertifikate als S.-fachmann sowohl national als auch international im Original vor. Sein nationales Zertifikat als S.-fachingenieur legte er bei dem Gespräch in Kopie vor.
Die Kopie des nationalen Zertifikats als S.-fachingenieur übersandte die Beklagte am 26.09.2016 nochmals zur Überprüfung an den Prüfungs- und Zertifizierungsausschuss H./S.-H.. Herr N. von der DVS nahm daraufhin per Mail am 26.09.2016 Stellung und führte aus, es gebe Indizien, die gegen die Echtheit des nationalen Zeugnisses sprächen. Die Echtheit könne aber nicht gänzlich ausgeschlossen werden, weil es aufgr...