Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert eines Datenauskunftsantrags nach Art. 15 DSGVO. Grundsatz der Streitwertwahrheit. Vorrang des Grundsatzes der Streitwertwahrheit vor dem Grundsatz "Ne ultra petitum" (§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Streitwert eines Datenauskunftsantrages nach Art. 15 DSGVO beträgt pauschal 5.000,00 Euro.(Rn.27)

2. Wird im Rahmen einer Streitwertbeschwerde ein geringer Wert vom Beschwerdeführer beantragt als nach den allgemeinen Regeln festzusetzen wäre, führt der Grundsatz der Streitwertwahrheit zur höheren Festsetzung. § 308 Abs. 1 ZPO gilt insoweit nicht.(Rn.31)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Anwendung der Vorschriften des GVG und des RVG sowie der Empfehlungen der Streitwertkommission zur Ermittlung der Streitwerte gilt der Grundsatz der Streitwertwahrheit.

2. Aus dem Grundsatz der Streitwertwahrheit folgt, dass - in Abweichung zu § 308 Abs. 1 S. 1 ZPO - der Gegenstandswert auch zugunsten des Beschwerdeführers über dessen Antrag hinausgehend (bei einer Heraufsetzungsbeschwerde also höher als beantragt) festgesetzt werden kann. Eine Bindung an den Beschwerdeantrag könnte bei anderer Sichtweise dazu führen, dass das Gericht unter Verstoß des Grundsatzes der Streitwertwahrheit einen unrichtigen Gegenstandswert festsetzen müsste.

 

Normenkette

RVG § 33 Abs. 3; ZPO § 308 Abs. 1; VO (EU) 2016/679 Art. 15, 82; DSGVO Art. 16-18

 

Verfahrensgang

ArbG Neumünster (Entscheidung vom 14.07.2022; Aktenzeichen 1 Ca 70 d/22)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Neumünster vom 14.07.2022, Az.: 1 Ca 70 d/22, abgeändert und der Wert des Streitgegenstandes für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren auf € 12.900,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich im Beschwerdeverfahren gegen einen Streitwertbeschluss für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren. Im Hauptsacheverfahren hatte die Klägerin am 28.01.2022 eine Klage mit folgenden Anträgen gestellt:

  1. Die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 24.09.2021 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen;
  1. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Einsichtnahme in ihre Personalakte zu gewähren;
  1. Die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft nach Art. 15 über ihre personenbezogenen Daten und folgende Informationen zu erteilen:
    1. Die Verarbeitungszwecke;
    1. die Kategorien personenbezogener Daten, die verarbeitet werden;
    1. die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, insbesondere bei Empfängern in Drittländern oder bei internationalen Organisationen;
    1. falls möglich, die geplante Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden, oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer;
    1. das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung oder Löschen der sie betreffenden personenbezogenen Daten oder auf Beeinschränkung der Verarbeitung durch den Verantwortlichen oder eines Widerspruchsrechts gegen diese Verarbeitung;
    1. das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde;
    1. würden die personenbezogenen Daten nicht bei der betroffenen Person erhoben werden, alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten;
    1. das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling gem. Art. 22 Abs. 1 und 4 und - zumindest in diesen Fällen - aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für die betroffene Person;
  1. die Beklagte zu verurteilen, das Recht der Klägerin über die geeigneten Garantien gem. Art. 46 DSGVO und Auskunft darüber zu erteilen, ob und gegebenenfalls welche personenbezogenen Daten der Klägerin von der Beklagten an ein Drittland ober an eine internationale Organisation übermittelt worden sind und gegebenenfalls noch werden;
  1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Kopien der personenbezogenen Daten herauszugeben;
  1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 5.000,00 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab 11.01.2022 zu zahlen.

Am 23.02.2022 erging gegen die Beklagte ein Teil-Anerkenntnis, mit dem die Beklagte verurteilt wurde, der Klägerin Einsicht in ihre Personalakte zu gewähren. Mit Beschluss vom 07.06.2022 stellte das Arbeitsgericht nach § 278 Abs. 6 ZPO einen Vergleich fest. Auf den Inhalt des geschlossenen Vergleichs (Bl. 374 d. A.) wird Bezug genommen.

Auf den Streitwertfestsetzungsantrag des Beschwerdeführers vom 22.06.2022 erfolgte ebenfalls am 22.06.2022 eine Streitwertanhörung durch das Arbeitsgericht, indem das Arbeitsgericht mitteilte, dass beabsichtigt sei, den Streitwert in Höhe von 7.900,00 Euro festzusetzen. Hierbei seien für die Anträge zu 3., 4., 5. und 6. betreffend die Auskunft und Erteilung von Kopien nach der DSGVO sowie dem damit zusammenhängenden Schadensersatz insgesamt 5.000,00 Euro in Ansatz zu bringen. Der Antrag zu 1...

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