Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterlassungsantrag. Antragsbefugnis. Betriebsvereinbarung. Auslegung. Casino. Tronc-System. punktbesoldete Vergütung. Antragsbefugnis im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Antragsbefugnis des Betriebsrates i. S. v. § 81 Abs. 1 ArbGG entfällt nicht schon dann, wenn durch die Auseinandersetzung der Betriebsparteien über Inhalt, Reichweite und Auslegung einer Betriebsvereinbarung wegen deren normativer Wirkung auch individualrechtliche Ansprüche der Arbeitnehmer betroffen sein können.

2. Die Antragsbefugnis dient dazu, Popularklagen auszuschließen. Der Betriebsrat darf sich nicht zum Prozessstandschafter der Arbeitnehmer machen.

 

Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10; ArbGG § 81 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Beschluss vom 16.07.2009; Aktenzeichen 1 BV 18 b/09)

 

Tenor

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 16.07.2009, Az. 1 BV 18 b/09, wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats wegen Verletzung des Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Ziff. 10 BetrVG.

Antragsteller ist der im Betrieb der Antragsgegnerin (Arbeitgeberin) gebildete Betriebsrat. Die Arbeitgeberin betreibt in S. ein Spielcasino.

Für die im Casino beschäftigten punktbesoldeten Mitarbeiter gilt die Betriebsvereinbarung über „die Punktestruktur der punktbesoldeten Belegschaft” vom 15.12.2004 (künftig: Pkt-BV, Bl. 6 f. d. A.). § 2 Pkt-BV lautet auszugsweise wie folgt:

Punkte

Croupier

Berufsanfänger

9

nach einem Jahr Berufserfahrung oder Betriebszugehörigkeit

9,5

nach einem Jahr Berufserfahrung und Betriebszugehörigkeit

10

nach drei Jahren Berufserfahrung (mind. 3 Spiele)

10,5

nach 12 Jahren Berufserfahrung und Betriebszugehörigkeit

12,5

die Beherrschung eines dauerhaft angebotenen Spiels wird vorausgesetzt,

für die Beherrschung eines weiteren der folgenden Spiele Französisch Roulette-Dreher, American Roulette, Black Jack, Poker und anderer Spiele, wenn diese dauerhaft angeboten werden

je 0,5

max. 2

…”

§ 4 Pkt-BV enthält folgende Übergangsregelung:

„Für alle bei der Gesellschaft bei Inkrafttreten dieser Vereinbarung bereits beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelten – bei unveränderter Funktionsgruppe – die bisherigen Regelungen für punktbesoldete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fort, soweit diese eine höhere Punktvergütung vorsehen. Die individuellen Funktionsanteile sind in diesen Fällen den bisherigen Funktionspunkten hinzuzurechnen.”

Bis zum Inkrafttreten der Betriebsvereinbarung wandte die Arbeitgeberin auf die Arbeitsverhältnisse der punktbesoldeten Mitarbeiter die „Regelungen Troncsystem Casino Stadtzentrum S. KG” (künftig: Regelungen-Troncsystem, Bl. 16 ff. d. A.) an, die sie den Arbeitnehmern mit dem Arbeitsvertrag überreichte.

§ 3 Regelungen-Troncsystem regelt – soweit hier von Belang – unter lit A. die Punktvergütung wie folgt:

„…

Croupier

Berufsanfänger

10 Punkte

ab einem Jahr Berufserfahrung

11 Punkte

ab zwei Jahren Berufserfahrung

12 Punkte

ab drei Jahren Berufserfahrung

13 Punkte

für jedes erlernte und angebotene Spiel

0,5 Punkte

…”

§ 4 Ziff. 1 Regelungen-Troncsystem lautet unter der Überschrift „Einstufung” wie folgt:

„Das Casino S. anerkennt erlernte und sicher beherrschte Spiele, die im eigenen Haus regelmäßig angeboten werden, mit einer Höhergruppierung von 0,5 Punkten pro Spiel. Das erste Spielt führt nicht zu dieser Höhereingruppierung. Die für die Einstufung entscheidenden Spiele sind:

  1. Französisches Roulette
  2. American Roulette
  3. Black Jack
  4. Seven Card Stud Poker”.

Die Arbeitgeberin nahm das Spiel „Französisches Roulette” zum 01.04.2009 aus dem offiziellen Spielangebot. Aufgrund dessen zog sie den Mitarbeitern, die das Spiel „Französisches Roulette” beherrschen, 0,5 Punkte von der Punktvergütung ab.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten,

die Arbeitgeberin verstoße durch den Punktabzug gegen § 4 Pkt-BV, da § 4 Regelungen-Troncsystem eine Kürzung um 0,5 Punkte bei Streichung des Spiels „Französisches Roulette” aus dem Spielangebot nicht zuließe. Das Spiel „Französisches Roulette” sei das „erste” Spiel i. S. v. § 4 Satz 2 Regelungen-Troncsystem, für das die Mitarbeiter keine Höhergruppierung von 0,5 Punkten erhalten hätten. Daher dürfe die Arbeitgeberin nun auch keinen Punktabzug vornehmen. Es sei der Wille der Vertragsparteien gewesen, dass das „erste Spiel” das „Französische Roulette” sei, da dessen Beherrschung die Grundvoraussetzung für die Ausübung des Berufs des Croupiers sei. Dieser Wille gehe auch aus den Begleitschreiben zu Anstellungsverträgen aus dem Jahre 1996 und 1997 hervor, in denen – dies ist unstreitig – das Spiel „Französisches Roulette” an erster Stelle stehe (Anlagen AST 5 und 6, Bl. 61 und 62 d. A.). Zudem führe die Punktekürzung zu gleichheitswidrigen Ergebnissen, da sich der durch den Punktabzug ergebende Einkommensverlust bei den nicht vom Punktabzug betroffenen Mitarbeitern zu einer...

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