Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitgegenstand. Einstellung. Mitarbeiter. Arbeitszeit. Umfang der Arbeitszeit. Betriebsrat. Mitbestimmung. Verweigerung. Zustimmungsersetzung
Leitsatz (redaktionell)
Der Arbeitgeber hat bei einem Antrag gem. § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG hinreichend zu konkretisieren, für welche Maßnahme er die Zustimmung des Betriebsrats beantragen will. Er legt mit seinem Antrag den Streitgegenstand des Zustimmungsersetzungsverfahrens fest. Von besonderer Bedeutung ist dabei die zeitliche Komponente. Der Einstellung wohnt ein zeitlicher Aspekt inne. Denn nach dieser Entscheidung kann auch die Erhöhung des vertraglich vereinbarten Arbeitszeitvolumens eine Einstellung i.S.v. § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG sein, wenn sie nach Umfang und Zeitdauer als nicht unerheblich anzusehen ist. Daraus folgt, dass der Arbeitgeber durch Angabe einer bestimmten wöchentlichen Arbeitszeit die beabsichtigte Einstellung konkretisiert. Nur bezogen auf diese personelle Maßnahme kann der Betriebsrat das Vorliegen von Zustimmungsverweigerungsgründen prüfen. Will der Arbeitgeber die Arbeitszeit über das arbeitsvertraglich geschuldete Stundenvolumen hinaus erhöhen, kann dies eine weitere Einstellung i.S.v. § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG sein, wenn sie nach Umfang und Zeitdauer als nicht unerheblich angesehen werden muss.
Normenkette
BetrVG § 99
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Beschluss vom 18.10.2007; Aktenzeichen 2 BV 119/07) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 18.10.2007 – 2 BV 119/07 – geändert.
Die Zustimmung des Betriebsrats der D., Niederlassung B., zur Einstellung des Herrn M. P. ab dem 01.07.2007 wird ersetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin (im Folgenden: Arbeitgeberin) begehrt die Ersetzung der Zustimmung des Antragsgegners (im Folgenden: Betriebsrat) zur Einstellung des Mitarbeiters M. P..
Der Arbeitnehmer P. war zunächst bei der Arbeitgeberin ab dem 14.04.2007 auf Grundlage eines befristeten Arbeitsvertrages für den Zeitraum bis 02.09.2007 zu einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden tätig, wobei er eine Vereinbarung mit der Arbeitgeberin abgeschlossen hatte, dass er zusätzlich 8,5 Stunden in der Woche auf Grundlage der Tarifverträge Nr. 112a, 130a, die für den Betrieb der Arbeitgeberin gelten (Blatt 41 ff. d.A.), tätig ist.
Der von der Arbeitgeberin für ihre Arbeitnehmer geschlossene, seit dem 1. September 2003 geltende Tarifvertrag Nr. 112a (TV 112a), dessen Laufzeit der Tarifvertrag Nr. 130a bis zum 31. Dezember 2009 verlängerte, enthält in seinem Dritten Teil unter der Überschrift „Übernahme zusätzlicher Leistungen” unter anderem folgende Regelungen:
„§ 1
Geltungsbereich
Dieser Tarifvertrag gilt für Arbeitnehmer im Geltungsbereich des MTV-DP AG / ETV-DP AG, die ganz oder teilweise Zustelltätigkeiten verrichten.
§ 2
Übernahme zusätzlicher Leistungen
(1) |
Im Rahmen des gem. § 22 Abs. 4 Unterabs. 1 Satz 2 MTV-DP AG für die Zustellung geltenden Ausgleichszeitraums von 12 Monaten der gesetzlich festgelegten Höchstarbeitszeit von werktäglich 8 Stunden (48 Stunden im wöchentlichen Durchschnitt) können Arbeitnehmer auf freiwilliger Basis zusätzliche Leistungen übernehmen. |
(2) |
Die Teilnahme ist für jeweils ein Jahr festzulegen, mindestens jedoch bis zur Realisierung einer Neubemessung. |
§ 3
Zusätzliches Entgelt
(1) |
Für jede rechnerische Stunde zusätzlicher Leistung wird ein zusätzliches Entgelt gezahlt, das sich für alle Teilnehmer auf der Grundlage der Stundenentgelttabelle gem. Anlage 3 ETV-DP AG für die Entgeltgruppe 3 ergibt. Im Umfang der zusätzlichen Leistung findet § 14 ETV-DP AG keine Anwendung. |
Im Zusammenhang mit der Einstellung von Arbeitnehmern mit 30 Wochenstunden und zusätzlich befristeter Einstellung für 8,5 Wochenstunden haben die Beteiligten eine Musterprozessvereinbarung geschlossen, weil sich in diesen Fällen die Streitigkeiten um die befristete Einstellung regelmäßig durch Zeitablauf erledigten. Gegenstand der Musterprozessvereinbarung ist, dass in vier Verfahren Arbeitnehmer mit einer Wochenarbeitszeit von 19,25 Stunden unbefristet eingestellt werden und ihnen weitere 19,25 Stunden nach Maßgabe der Tarifverträge 112a, 130a befristet übertragen werden. Die Betriebsparteien wollten damit eine gerichtliche Klärung herbeiführen, ob der Betriebsrat berechtigt ist, einer derartigen Einstellung die Zustimmung zu verweigern. Das vorliegende Verfahren ist eines dieser Musterverfahren.
Mit Schreiben vom 15.06.2007 (Abl. Blatt 9 d.A.) hörte die Arbeitgeberin den Betriebsrat zur unbefristeten Einstellung des Herrn P. ab dem 01.07.2007 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 19,25 Stunden an. Gleichzeitig war beabsichtigt, dass dem Arbeitnehmer P. befristet für die Dauer von einem Jahr zusätzliche Leistungen im Umfang von 19,25 Wochenstunden übertragen werden.
Darüber hinaus unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat, sie wolle die Maßnahme auch für den Fall vorläufig durchführen, dass der Betriebsrat seine Zustimmung verweigere. Zur Begrün...