Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsrat. Betriebsratswahl. Anfechtung. einheitlicher Betrieb. Betriebsbegriff. Verkennung
Leitsatz (redaktionell)
Wird die Anfechtung einer Betriebsratswahl darauf gestützt, dass in einem einheitlichen Betrieb unter Verkennung des Betriebsbegriffs mehrere Betriebsräte für jeweils unselbstständige Betriebsteile gewählt worden sind, muss die Wahl aller Betriebsräte angefochten werden. Die gegen die Wahl eines einzelnen Betriebsrats gerichtete Anfechtung ist in einem solchen Fall unzulässig.
Normenkette
BetrVG § 19
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Beschluss vom 28.02.2007; Aktenzeichen 5 BV 17 (2)/06) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1. bis 3. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 28.02.2007 (5 BV 17 (2)/06) wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen der Anfechtung einer am 30.03.2006 in M./L. durchgeführten Betriebsratswahl darüber, ob diese Betriebsstätten gemeinsam mit der Betriebsstätte in H. einen einheitlichen Betrieb bilden und deshalb nur ein Betriebsrat hätte gewählt werden dürfen.
Die Beteiligten zu 5. und 6. produzieren und vertreiben Backwaren. Ihre Hauptverwaltungen befinden sich in G.. Sie unterhielten im Jahr 2006 gemeinsam Betriebsstätten in H., M. sowie in L.. Die Betriebsstätte in L. befand sich zu diesem Zeitpunkt noch im Aufbau. Ende März 2006 waren in M. etwa 220, in L. 80 und in H. 187 Mitarbeiter beschäftigt. Zwischen den Beteiligten ist im Laufe des Verfahrens unstreitig geworden, dass jedenfalls die Betriebsstätten in M. und L. einen einheitlichen gemeinsamen Betrieb bilden. Die vormals in B., Ha., E. und W. unterhaltenen Betriebe wurden stillgelegt. Im Laufe dieses Verfahrens ist die Betriebsstätte in M. geschlossen worden und zwar zum Ende des Jahres 2006. Die Produktion in der Betriebsstätte H. ist zum 02.08.2006 stillgelegt worden. Die vormals in H. betriebene Logistik wird nunmehr in H.-B. ausgeführt.
Die Beteiligten zu 1. bis 3. sind Arbeitnehmer der Beteiligten zu 5. Sie waren zum Zeitpunkt der angegriffenen Betriebsratswahl länger als sechs Monate in der Betriebsstätte in M. beschäftigt.
Bei den Betriebsratswahlen im Frühjahr 2006 wurde sowohl in H. (18.05.2006) als auch in M./L. (30.03.2006) jeweils ein eigener Betriebsrat gewählt. Die Wahlergebnisse wurden am 31.03.2006 (L./M.) bzw. am 22.05.2006 (H.) bekannt gegeben. Der Beteiligte zu 4. ist aus der Wahl in M./L. hervorgegangen.
Mit dem am 13.04.2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag haben die Beteiligten zu 1. bis 3. die Betriebsratswahl vom 31.03.2006 (Betriebsstätten M./L.) angegriffen. Die Betriebsratswahl für die Betriebsstätte H. ist nicht angefochten worden. Dort gab es schon vor der Wahl am 18.05.2006 einen Betriebsrat.
Die Beteiligten zu 1. bis 3. haben die Auffassung vertreten, es hätte nur ein gemeinsamer Betriebsrat gewählt werden dürfen, weil es sich bei den Betriebsstätten H., M. und L. um einen (gemeinsamen) Betrieb mit einheitlicher Leitung gehandelt habe. Die Betriebsstätte in H. sei weder ein eigener Betrieb noch ein gemäß § 4 S. 1 BetrVG als selbstständiger Betrieb geltender Betriebsteil.
Die mitbestimmungspflichtigen sozialen Angelegenheiten im Sinne von § 87 Abs. 1 BetrVG würden für alle Betriebsstätten von dem Personalleiter, Herrn K., sowie dem Betriebsleiter, Herrn F., erledigt. Der in H. tätige Herr M. bzw. dessen Nachfolger, Herr B., sei lediglich betriebstechnischer Vorgesetzter, der die Mitarbeiter vor Ort einsetze, ihnen die Schichtpläne mitteile sowie die von Herrn K. mit dem Betriebsrat abgestimmten Maßnahmen umsetze. Das ergebe sich aus den Unterlagen des Betriebsrats in H.. Die Beteiligten zu 1. bis 3. haben insoweit verschiedene Schriftstücke zur Akte gereicht (Anlagen Ast 8 ff = Bl. 185 – 205 d. A.).
Die Beteiligten zu 1. bis 3. haben die Ansicht vertreten, der Betriebsteil H. sei weder räumlich weit von M. bzw. L. entfernt noch durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig.
Die Beteiligten zu 1. bis 3. haben beantragt,
festzustellen, dass die Betriebsratswahl im gemeinsamen Betrieb der Beteiligten zu 5. und 6. in M. vom 30.03.2006 aufgrund der Anfechtung der Beteiligten zu 1. bis 3. unwirksam ist.
Die Beteiligten zu 4. bis 6. haben beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie haben gerügt, dass die Anfechtungsgründe nicht innerhalb der 14-tägigen Anfechtungsfrist vorgetragen worden seien.
Die Beteiligten zu 1. bis 3. hätten zunächst nur die Nichtigkeit der Wahl geltend gemacht. Folglich sei die nunmehr verfolgte Anfechtung verspätet und damit unzulässig.
Im Übrigen liege kein Anfechtungsgrund vor. Der Betriebsbegriff sei nicht verkannt worden. Die Betriebsstätte in H. sei ein nach Aufgabengebiet und Organisation selbstständiger Betriebsteil und zudem räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt. Die Beteiligten zu 4. bis 6. haben behauptet, Herr M. sei Betriebsleiter des Betriebes in H. und verfüge über Leitungsmacht in personellen und sozialen Angelegenheiten. Gleiches gelte für den ...