REVISION / RECHTSBESCHWERDE / REVISIONSBESCHWERDE ZUGELASSEN NEIN
Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellungsantrag. Beschlußverfahren. Rechtsschutzbedürfnis. Betriebsversammlung. zeitliche Lage. Betriebsvollversammlung. Schichtbetrieb. überlappende Betriebsversammlung
Leitsatz (amtlich)
Im mehrschichtigem Betrieb ist der Betriebsrat aus dem Interesse des Arbeitgebers am möglichst ungestörten Betriebsablauf, wegen seiner Pflicht zur Rücksichtnahme auf die betrieblichen Belange, wegen des Gebots zur vertrauensvollen Zusammenarbeit, wegen des Interesses der Mitarbeiter an einer gemeinsamen Versammlung möglichst aller Beschäftigten, wegen des Charakters der regelmäßigen Betriebsversammlung als Vollversammlungen, gehalten, die regelmäßigen – vierteljährlichen – Betriebsversammlungen auf der Schnittstelle zwischen den beiden Schichten anzuberaumen, in denen der Großteil der Arbeitnehmer i. S. des BetrVerfG beschäftigt wird. Persönliche Probleme von Mitarbeitern bei der Organisation ihres Privathaushaltes rechtfertigen es nicht, von der zeitlichen Lage der Vollversammlung auf der Nahtstelle zwischen Früh- und Spätschicht abzugehen.
Normenkette
BetrVerfG 72 §§ 2, 43-44
Verfahrensgang
ArbG Neumünster (Aktenzeichen 3d BV 54/90) |
Tenor
Auf die Beschwerde der antragstellenden Arbeitgeberin wird – unter Zurückweisung ihrer Beschwerde im übrigen – festgestellt, daß der antragsgegnerische Betriebsrat verpflichtet ist, die regelmäßigen Betriebsversammlungen als Betriebsvollversammlung schichtübergreifend so anzuberaumen, daß die Arbeitnehmer der Frühschicht und die Arbeitnehmer der Spätschicht gemeinsam dergestalt an der Betriebsversammlung teilnehmen können, daß jeweils ein Teil ihrer Arbeitsschicht in die Betriebsversammlung fällt.
Gründe
Die Parteien streiten über die zeitliche Lage von Betriebsversammlungen.
Die Arbeitgeberin – Antragstellerin – stellt mit ihren 1.016 Mitarbeitern in drei Schichten Süßwaren her:
- Schicht 6.00 Uhr – 14.15 Uhr – ca. 600 Arbeitnehmer –;
- Schicht 14.15 Uhr – 22.15 Uhr – ca. 270–280 Arbeitnehmer –;
- Schicht 22.15 Uhr – 6.00 Uhr – ca. 20–30 Beschäftigte –.
Die rund 120 Angestellten arbeiten in Gleitzeit. Der Betriebsrat – Antragsgegner – führte am 02.07.1990 für die Frühschicht eine Betriebsteilversammlung von 10.00 Uhr an und für die Spätschicht eine Betriebsteilversammlung von 14.15 Uhr an durch. Der Betriebsrat beschloß am 24.10.1990, in der 50. Kalenderwoche zwei weitere Betriebsteilversammlungen, eine um 10.00 Uhr und die andere um 14.15 Uhr, zu beginnen. Die Arbeitgeberin hat anstelle der Teil Versammlungen Vollversammlungen gefordert. Bereits die Betriebsteilversammlung am 02.07.1990 habe dazu geführt, daß fast der ganze Tag als Produktionsausfall mit Kosten von 23.012,– DM je Stunde habe hingenommen werden müssen.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
- festzustellen, daß die Einberufung und Durchführung der Betriebsteilversammlungen am 02. Juli 1990 um 10.00 Uhr für die Frühschicht und um 14.15 Uhr für die Spätschicht unrechtmäßig gewesen seien;
- festzustellen, daß der Antragsgegner zukünftig nur eine Betriebsvollversammlung durchzuführen habe.
Der Betriebsrat hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Der Betriebsrat ist dem Antrag damit entgegengetreten, daß schichtübergreifende Betriebsversammlungen von den Schichtdienstmitarbeitern nicht akzeptiert würden; erhebliche Probleme würden bei der Einnahme des Mittagessens eintreten. Für eine Vielzahl von Mitarbeiterinnen sei die Vorverlagerung bzw. Verlängerung der Anwesenheitszeit im Betrieb aus familiären und physischen Gründen nicht möglich.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag zu 1. aus formellen Gründen zurückgewiesen. Es hat den Antrag zu 2. für unbegründet gehalten, weil der Betriebsrat im Rahmen des ihm zustehenden Bewertungsspielraums handele, und bei einem Anteil der weiblichen Arbeitnehmer von 60 bis 70 % zu erwarten sei, daß ein Großteil der Beschäftigten an einer Betriebsversammlung außerhalb der eigenen Arbeitszeit nicht teilnehmen würde. Es sei davon auszugehen, daß ein großer Teil der Belegschaft auf öffentliche Nahverkehrsmittel angewiesen sei, für die sich die Abwesenheitszeit von ihrer Wohnung erheblich erhöhe. Darauf habe der Betriebsrat Rücksicht zu nehmen. Wegen der Gründe im übrigen wird auf die des angefochtenen Beschlusses verwiesen.
Gegen den ihr am 25.01.1991 zugestellten Beschluß des Arbeitsgerichts richtet sich die am 25.02.1991 eingelegte und zugleich begründete Beschwerde der Arbeitgeber in, die sie u. a. darauf stützt, daß die durch keinen Tatsachenvortrag begründeten Vermutungen, daß ein großer Teil der Mitarbeiter nicht zu einer Betriebsversammlung außerhalb der eigenen Arbeitszeit gehen würde und daß ein großer Teil der Belegschaft auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen sei, die Entscheidung nicht tragen könnten. Ihr Antrag zu 1. sei ebenfalls zulässig. Im übrigen trägt die Arbeitgeberin Rechtsansichten vor.
Die Arbeitgeberin beantragt
festzustellen, daß die Einberufung und Durchführung der Betriebsversammlungen am 2. Ju...