Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe nur bei hinreichender Erfolgsaussicht der Klage. Beschränkung der Prozessvollmacht. Wirkung einer Beschränkung der Prozessvollmacht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Im Falle der Bedürftigkeit erhält eine Partei auf ihren Antrag Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig ist.

2. Grundsätzlich ermächtigt die Prozessvollmacht zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen (§ 81 ZPO). Die Vollmacht kann aber gem. § 83 Abs. 1 ZPO in beschränktem Umfang gegeben werden, d.h., es kann sich die Beschränkung auf die Beseitigung des Rechtsstreits durch Vergleich, Verzichtserklärung auf den Streitgegenstand oder die Anerkennung des Anspruchs beziehen.

3. Bei der Beschränkung einer Prozessvollmacht ist der Unterschied zwischen dem Innenverhältnis und dem Außenverhältnis zu beachten. Im Innenverhältnis kann die Vollmacht beliebig und formfrei beschränkt werden, im Außenverhältnis nur im Umfang des § 83 Abs. 1 ZPO und nur, wenn sie dem Gericht und dem Prozessgegner unzweideutig mitgeteilt worden ist.

 

Normenkette

ZPO § 80 S. 2, §§ 81, 83 Abs. 1-2, § 114

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Entscheidung vom 05.06.2019; Aktenzeichen 2 Ca 285 a/19)

 

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts ihrer Wahl zur Durchführung des Berufungsverfahrens gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 05.06.2019, Az. 2 Ca 285 a/19, wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin (künftig: Klägerin) begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie Beiordnung eines Rechtsanwalts zur Durchführung eines Berufungsverfahrens.

Im erstinstanzlich durch Urteil abgeschlossenen Hauptsacheverfahren stritten die Parteien um die Rechtswirksamkeit eines Prozessvergleichs mit welchem ein Kündigungsrechtsstreit beendet wurde. Die 44-jährige Klägerin war seit März 2012 bei der Beklagten, die einen ambulanten Pflegedienst betreibt, geringfügig als Pflege- und Haushilfe zu einem Monatsgehalt von 450,00 € beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 26.10.2018 zum 31.12.2018. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Kündigungsschutzklage (2 Ca 1448 a/18). In der Güteverhandlung vom 19.12.2018, in der für die Klägerin Rechtsanwältin H. erschien, schlossen die Parteien folgenden Prozessvergleich:

"1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endet aufgrund der fristgemäßen Kündigung der Beklagten vom 26.10.2018 aus betrieblichen Gründen auf Veranlassung des Arbeitgebers mit Ablauf des 31.12.2018.

2. Die Parteien sind sich darüber einig, dass für den Monat Dezember 2018 ein Gehalt von 450,00 € brutto geschuldet ist.

3. Die Beklagte verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis für die Zeit bis zum 31.12.2018 ordnungsgemäß abzurechnen und sich ergebende Beträge an die Klägerin zu zahlen.

4. Die Parteien sind sich einig, dass die Klägerin für die Zeit bis zum 31.12.2018 ihr zustehenden Urlaub gewährt erhalten und genommen hat.

5. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Überstundenvergütung aus dem Arbeitsverhältnis bis zum Zeitraum 31.12.2018 beanspruchen kann.

6. Die Beklagte verpflichtet sich, der Klägerin ein einfaches Zeugnis unter dem Ausstellungsdatum 31.12.2018 zu erteilen.

7. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Klägerin, sofern sie noch Gegenstände der Beklagten in ihrem Besitz hat, sich verpflichtet, diese an die Beklagte herauszugeben.

8. Die Beklagte verpflichtet sich, an die Klägerin für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung entsprechend §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 1.550,00 € brutto zu zahlen.

9. Damit ist dieser Rechtsstreit erledigt."

Mit Schreiben vom 28.02.2019 hat die Klägerin persönlich die Fortsetzung der mündlichen Verhandlung beantragt und geltend gemacht, der Prozessvergleich sei von Anfang an nichtig.

Daraufhin kündigte die Beklagte mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 09.05.2019 das Arbeitsverhältnis vorsorglich erneut fristlos, hilfsweise fristgerecht.

Die Klägerin hat gemeint,

der Vergleich sei von Anfang an nichtig. Sie habe den Vergleich nicht genehmigt. Rechtsanwältin H. habe nur die Vollmacht gehabt, einen Widerrufsvergleich abzuschließen. Sie, die Klägerin, habe den Prozessvergleich auch nicht gem. § 177 Abs. 1 BGB genehmigt. Rechtsanwältin H. sei außerdem von der Beklagten während der Güteverhandlung arglistig über die angebliche Rechtmäßigkeit der Kündigung vom 26.10.2018 getäuscht und widerrechtlich bedroht worden. Hilfsweise fechte sie, die Klägerin, den Vergleich an. Das Arbeitsverhältnis sei weder durch die ordentliche Kündigung vom 26.10.2018 noch durch die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 09.05.2019 beendet worden. Es gebe keinen Kündigungsgrund. Darüber hinaus sei die Kündigung aufgrund fehlender Bevollmächtigung der Prozessbevollmächtigten zurückgewiesen w...

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