Entscheidungsstichwort (Thema)
Verhaltensbedingte Kündigung. Verschulden bei Schlechtleistung
Leitsatz (amtlich)
Der Arbeitgeber hat Verschulden bei Schlechtleistung zu beweisend; es gibt grundsätzlich keine Umkehr der Beweislast, ausgenommen Schlechtleistung liegt im Gefahrenbereich des Arbeitnehmers.
Normenkette
BGB § 626
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Urteil vom 29.08.1984; Aktenzeichen 4b Ca 2608/83) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 29.8.1984 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Tatbestand
Für die Darlegung von Sach- und Streitstand in erster Instanz wird gemäß § 543 ZPO auf das angefochtene Urteil nebst seinen Verweisungen Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht Lübeck hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß ein Grund für eine fristlose Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht gegeben sei und letzteres deshalb wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung gemäß § 53 Abs. 3 BAT fortbestehe. Zwar sei nach der durchgeführten Beweisaufnahme davon auszugehen, daß durch die Klägerin Störungen des Betriebsfriedens eingetreten seien, die jedoch infolge festgestellter Krankheit der Klägerin keinen wichtigen Grund zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses darstellten.
Auch eine krankheitsbedingte Kündigung sei nicht gerechtfertigt, da die von den Sachverständigen bei der Klägerin festgestellte paranoide Psychose zur Zeit nicht fortbestehe und auch grundsätzlich heilbar sei, sofern die exogenen Verursachungsfaktoren wegfielen.
Gegen dieses der Beklagten am 20.9.1984 zugestellte Urteil hat sie am 19.10.1984 Berufung eingelegt und diese am 15.11.1984 begründet.
Sie vertritt die Ansicht, daß das erstinstanzliche Gericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, daß die Klägerin krankheitsbedingt für die der Kündigung zugrundeliegenden Vorfälle nicht verantwortlich gewesen sei. Dem stünden die Feststellungen der T. klinik in B. S. entgegen, denen zufolge einmal 1979 und zweimal in 1982 lediglich festgehalten worden sei, daß es sich bei der Klägerin um eine hysterische Persönlichkeit handele. Letzteres bedinge aber nicht, daß Verhaltensweisen nicht gesteuert werden könnten.
Sollte jedoch aufgrund medizinischer Sachverständigengutachten davon auszugehen sein, daß die Klägerin krankheitsbedingt ihr Verhalten habe nicht steuern können, dann liege eine unheilbare Krankheit vor, die eine fristlose Kündigung rechtfertige.
Zum Beweise dafür, daß die Aussage der in erster Instanz befragten Gutachterin Frau Dr. S. „Das Fehlverhalten der Frau B. auf dem Arbeitsplatz dürfte eindeutig auf die Krankheit zurückzuführen sein” nicht überzeugend sei, hat sich die Beklagte auf ein von ihr eingeholtes, zur Gerichtsakte gereichtes Gutachten des am Klinikum der C. A. Universität K. Abteilung Psychiatrie Universitäts-Nervenklinik tätigen Oberarztes und Privatdozentes Dr. W. berufen. Auf den Inhalt dieses Gutachtens (Bl. 152–161 d. A.) wird Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 29.8.1984 aufzuheben und die Klage der Klägerin abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und macht geltend, daß die zur Kündigung herangezogenen Vorfälle, die vor dem Winter 1979 und vor dem 26.10.1983 liegen, keine so wesentlichen Vertragsverstöße beinhalteten, daß sie eine fristlose Kündigung rechtfertigen könnten. Das Verhalten der Klägerin im Winter 1979 und am 26.10.1983 sei krankheitsbedingt gewesen, die Klägerin habe ihre Handlungen und Äußerungen nicht mehr selbst bestimmen und kontrollieren können. Eine verhaltensbedingte Kündigung sei deshalb nicht gerechtfertigt.
Eine krankheitsbedingte Kündigung habe schon deshalb nicht rechtswirksam ausgesprochen werden können, weil es der erforderlichen Anhörung des Personalobmannes ermangele. Die Anhörung dieses Obmannes sei bisher lediglich im Hinblick auf das behauptete beleidigend wirkende Verhalten der Klägerin erfolgt.
Im übrigen sei jedoch auch materiell-rechtlich eine auf die Erkrankung der Klägerin gestützte Kündigung rechtsunwirksam.
Zwar möge es zutreffen, daß die Klägerin an einer langanhaltenden Erkrankung gelitten habe, was aus dem Sachverständigengutachten von Frau Dr. S., die eine „schleichende paranoide Entwicklung” diagnostiziert habe, hergeleitet werden könne, jedoch sei der Zeitpunkt der Wiederherstellung nicht objektiv unabsehbar. Das ergebe sich daraus, daß eine gezielte nervenärztliche Behandlung in relativ kurzer Zeit Behandlungserfolge gezeitigt habe. So gehe auch das von der Beklagten vorgelegte Gutachten davon aus, daß die krankhafte Symtomatik „offensichtlich vergleichsweise rasch” behoben werden konnte. Die Situation der Klägerin sei nicht mehr vergleichbar mit den Jahren 1979 bis 1983, da nunmehr ihre Krankheit erkannt und eine entsprechende erfolgreiche Behandlung vorgenommen worden ist bzw. wird. Das nunmehr beobachtete Verhalten der Klägerin weise keinen Krankheitswert mehr auf. Dem – zufolge ermangele es an dem Erfordernis, daß das Ende...