Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung. Krankheit. Prognose. Arbeitsplatz. Gestaltung. Umgestaltung. Zumutbarkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ist ein Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum regelmäßig mehr als 100 Arbeitstage jährlich arbeitsunfähig krank, so entfalten diese Fehlzeiten eine Indizwirkung für eine negative Gesundheitsprognose.

2. Stimmt das Integrationsamt einer krankheitsbedingten Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers zu, so entfaltet diese Zustimmung bei der Frage, ob es dem Arbeitgeber zumutbar ist, einen Arbeitsplatz gem. § 81 Abs. 4 SGB IX in einen Schonarbeitsplatz umzugestalten, starke Indizwirkung für die Unzumutbarkeit der Umgestaltung des Arbeitsplatzes.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2; SGB IX § 81 Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Urteil vom 19.12.2002; Aktenzeichen 2 Ca 351 e/02)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 19.12.2002 – 2 Ca 351 e/02 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung gegenüber dem Kläger.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes erster Instanz sowie des Inhaltes der erstinstanzlichen Entscheidung wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts vom 19.12.2002 verwiesen, gegen das die Beklagte rechtzeitig Berufung eingelegt und diese begründet hat.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Weiter trägt sie vor, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes sei ihr die Einrichtung eines Schonarbeitsplatzes im Sinne des § 81 Abs. 4 S. 3 SGB IX nicht zumutbar, da dies mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden gewesen wäre. Sie habe im Zeitpunkt der Kündigung, d. h. am 25.01.2002 davon ausgehen müssen, dass der Kläger auch in den folgenden zwei Jahren dauernd arbeitsunfähig krank und in Zukunft nicht in der Lage sein werde, seine arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Dafür spreche zum einen der Bescheid der Hauptfürsorgestelle. Zum anderen bestätige auch der Sachverständige Dr. … ausdrücklich in seinem Gutachten, dass der Kläger bei unveränderten Arbeitsplatzverhältnissen im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung als dauernd arbeitsunfähig krank zu beurteilen gewesen sei. Zu einem anderen Ergebnis komme er nur unter den Umständen, dass eine leidensgerechte Änderung der Arbeitsplatzbedingungen erfolge. Tatsächlich sei es nicht möglich, die Verkaufsgespräche mit Kunden, die die Haupttätigkeit des Klägers bei der Beklagten ausmachten, zu einem größeren Teil an einem Tisch sitzend zu führen. Der Kläger müsse befähigt sein, die Kunden durch die Verkaufsfläche von über 2000 qm zu führen, ihnen die Ware entsprechend darzubieten, Angebote zu erstellen sowie die gekaufte Ware wunschgemäß zuzuschneiden und zu kommissionieren. Sie könne diese Kommissioniertätigkeiten dem Kläger auch nicht abnehmen und auf die verbleibenden Verkäufer in der Filiale übertragen. Bei insgesamt fünf Verkäufern in der Filiale und sechs Arbeitstagen stünden jeweils vier Verkäufer pro Arbeitstag zur Verfügung. Es sei nicht möglich, diesen aufzuerlegen, die Kommissioniertätigkeiten des Klägers zu übernehmen. Zuschneiden und Einlagern seien notwendige Nebenpflichten der Verkaufstätigkeiten. Die Anweisung hierzu erfolge im Rahmen des Direktionsrechts. Die erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen folge aus der dauernden Arbeitsunfähigkeit des Klägers. Indes sei es auch zu erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen gekommen. Die verbleibenden vier Verkäufer seien aufgrund der häufigen Erkrankungszeiten des Klägers zu überobligatorischer Tätigkeit herangezogen worden. Zahlreiche Kollegen hätten sich bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens geweigert, unter diesen Umständen mit dem Kläger weiter zu arbeiten. Sie befürchteten, zu den schwereren Kommissionierungsarbeiten zusätzlich herangezogen zu werden. Hinzu komme, dass bei der Beklagten ein Provisionsierungssystem bestehe, innerhalb dessen die Provision für die entsprechenden Verkaufszahlen auf alle Verkäufer zusammengerechnet und dann durch die entsprechende Kopfzahl geteilt werde. Während des Entgeltfortzahlungszeitraums werde die Provision weiterhin durch alle Verkäufer geteilt, obwohl lediglich fünf Verkäufer tatsächlich zu dem Gesamtumsatz beitrügen. Außerdem sei mit einer Kundenunzufriedenheit zu rechnen, wenn diese nicht wie gewohnt vom Verkäufer beraten und vollständig bedient werden können. Auch die Interessenabwägung führe dazu, dass ihr eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 19.12.2002, zugestellt am 10.01.2003, Aktenzeichen 2 Ca 351 e/02 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt weiter vor, bei der Beklagten handele es sich nicht um ein kleines Unternehmen. Sie setze sich allein in der BRD aus 34 Einz...

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