Entscheidungsstichwort (Thema)
Personenbedingte Kündigung. Kurzerkrankung. Prognose. Alkohol. Wiederholungsgefahr
Leitsatz (redaktionell)
1. Häufige krankheitsbedingte Fehlzeiten haben im Rahmen der Beurteilung der Zukunftsprognose Indizwirkung.
2. Es ist unverhältnismäßig, wenn der Arbeitgeber in der Vergangenheit und auf unbestimmte Zeit jährlich Entgeltfortzahlungskosten von mehr als sechs Wochen aufwenden muss. Eine solche jährliche Dauer der Entgeltfortzahlung führt zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Belange.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Elmshorn (Urteil vom 27.06.2002; Aktenzeichen 5 Ca 607 b/02) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 27.06.2002 – 5 Ca 607 b/02 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer von der Beklagten wegen wiederholter Fehlzeiten ausgesprochenen Kündigung.
Der Kläger ist am … 1954 geboren. Bei der Beklagten wurde er am 1. September 1969 eingestellt und zum Prozessleitelektroniker (PLT-Handwerker) ausgebildet. Der Kläger ist unstreitig Alkoholiker und gibt an, nunmehr trocken zu sein. Im Betrieb der Beklagten gibt es ein Alkoholverbot. Die Produktionsanlage unterliegt der Störfallverordnung. Es gibt ein umfangreiches Suchthilfeprogramm, das auch für den Kläger herangezogen wurde. Im Verlauf dieses Programms hat der Kläger wiederholt verschiedene Vereinbarungen (u.a. Bl. 22, Bl. 25 d.A.) unterzeichnet. Er hat an zwei Entwöhnungstherapien in B. vom 3. Februar bis 22. März 2000 und 28. August bis 26. Oktober 2001 teilgenommen. Im Jahr 1999 war der Kläger an 50 Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt, im Jahr 2000 an 88 Arbeitstagen und im Jahr 2001 an 59 Arbeitstagen. Am 16. Januar 2002 wurde wegen einer Alkoholfahne eine Blutuntersuchung beim Kläger durchgeführt, die einen Alkoholeinfluss ergab. Hiervon erfuhr der Kläger am 25. Januar 2002. Er nahm an diesem Tag frei und war seit dem 28. Januar bis 5. Februar 2002 arbeitsunfähig erkrankt. Nachdem eine von der Beklagten angestrebte Aufhebungsvereinbarung nicht zustand kam, hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis nach Unterrichtung des Betriebsrats am 25. Februar 2002 zum 30. September 2002 gekündigt. Die hiergegen vom Kläger erhobene Klage hat das Arbeitsgericht mit Urteil vom 27. Juni 2002, auf das hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen wird, abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger rechtzeitig Berufung eingelegt und diese begründet.
Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Weiter trägt er vor, ein personenbedingter Grund für die Kündigung liege nicht vor. Sein hoher Krankenstand stehe nicht in einem Zusammenhang mit seiner Alkoholproblematik. Die Kurzerkrankungen hätten nichts mit den Alkoholproblemen zu tun, sondern seien überwiegend auf orthopädische Störungen und Anfälligkeiten der Atemwege zurückzuführen. Ihm könne nur ein einziger Alkoholmissbrauch im Betrieb vorgeworfen werden. Im Übrigen sei er nie wegen Alkoholgenusses arbeitsunfähig gewesen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 27. Juni 2002 festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung vom 25. Februar 2002, am 25. Februar 2002 zugegangen, zum 30. September 2002 aufgelöst worden ist, sondern weiter über den 30. September 2002 hinaus fort besteht.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 27. Juni 2002 – 5 Ca 607 b/02 – zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt weiter vor, von orthopädischen Störungen und Atemwegserkrankungen sei ihr nichts bekannt. Vorsorglich weise sie darauf hin, dass es sich bei evtl. Knieproblemen und Atemwegserkrankungen um chronische Erkrankungen handele, die nicht ausgeheilt seien. Überdies sei der Kläger alkoholkrank. Seine Fehlzeiten stünden im direkten Zusammenhang mit der Alkoholkrankheit. Dass der Kläger im Jahr 2002 weniger Fehltage aufzuweisen habe, sei ohne Bedeutung, da dies nach dem Kündigungszeitpunkt liege. Als PLT-Handwerker sei der Kläger fast ausschließlich in den chemischen Produktionsbetrieben als Wartungs- und Instandhaltungshandwerker tätig. Als solcher müsse er überwiegend selbständig arbeiten. Sie müsse sich auf fachlich einwandfreies und fehlerloses Arbeiten verlassen können. In der Handwerkergruppe des Klägers seien vier Facharbeiter vorhanden. Bei Fehlzeiten komme es zu Störungen im Arbeitsplan. Dann sei eine Neudisposition des Tagesgeschäftes erforderlich. Dadurch werde eine Mehrbelastung der Kollegen verursacht. Seit der Kläger im März 1999 das Alkoholproblem zugegeben habe und im Juni 1999 alkoholisiert zur Arbeit gekommen sei, könne sie ihn nicht mehr wie zuvor einsetzen. Die andere Einsatzmöglichkeit in der Innenwerkstatt sei nur eine vorübergehende Versetzung gewesen. Es handele sich nicht dabei um einen Dauerarbeitsplatz.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten insbesondere die...