Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung. E-Mail. E-Mail-Account. Datengeheimnis. Ausspähen des E-Mail-Accounts des Arbeitgebers
Leitsatz (amtlich)
Der unbefugte Zugriff in den E-Mail-Account des Arbeitgebers ist grundsätzlich geeignet, eine außerordentliche Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung zu rechtfertigen.
Normenkette
BGB §§ 626, 611 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Neumünster (Urteil vom 12.12.2008; Aktenzeichen 4 Ca 1479 b/05) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 12. Dezember 2008, Az.: 4 Ca 1479 b/05, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage und Widerklage werden abgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen der Beklagte zu 60 % und die Klägerin zu 40 %.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Revision nicht gegeben; im Übrigen wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit einer außerordentlichen Kündigung sowie um Rückzahlung gezahlten Gehaltes.
Die 37-jährige Klägerin ist ledig und zwei Kindern unterhaltsverpflichtet. Sie ist bei dem Beklagten, der eine Hautarztpraxis betreibt, seit dem 01.04.2005 als Assistentin der Geschäftsleitung zu einem Bruttomonatsgehalt von EUR 5.000,– beschäftigt.
Die Parteien verband seit ca. fünf Jahren eine uneheliche Lebenspartnerschaft und wohnten zusammen. Die Klägerin war unstreitig vom 19.02.2007 bis zum 23.03.2007 arbeitsunfähig erkrankt und wies dies gegenüber dem Beklagten durch Einreichung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nach. Hintergrund der Erkrankung war, dass eine dritte Person böswillig Gerüchte über die Parteien streute. Dies gipfelte darin, dass die Klägerin in diversen Internetforen oder -seiten als Person präsentiert wurde, die ihre sexuellen Dienste anbietet. Für die Zeit nach dem 23.03.2007 erhielt die Klägerin von ihrem behandelnden Arzt Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die sie jedoch weder an den Beklagten noch an die Krankenkasse weiterreichte. Im Sommer des Jahres 2007 trennten sich die Parteien und am 19.06.2007 zog der Beklagte aus der gemeinsamen Wohnung aus. Es ist streitig, ob die Klägerin von April bis einschließlich Juli 2007 ihren arbeitsvertraglichen Pflichten nachkam. Unstreitig erledigte die Klägerin zumindest in geringem Umfang von zu Hause aus Arbeiten für den Beklagten. Unstreitig führte sie in diesen Monaten nach wie vor die Gehaltslisten und übergab diese Frau S., die die Lohnabrechnungen entsprechend fertigte und schließlich Herrn F. übergab, der die Gehaltsanweisungen veranlasste. Aus der zu den Akten gereichten E-Mail-Korrespondenz der Parteien folgt, dass die Klägerin während der strittigen Zeit u. a. angewiesen wurde, eine Sicherungsplatte für T. zu bestellen (Anlage K 7, Bekl. 129 d. GA.), sich um Werbemaßnahmen zu kümmern (Anlage K 7, Bl. 130 d. GA.), bei einer Besprechung mit einem Arzt anwesend zu sein (Anlage K 7, Bl. 131 d. GA.). Des Weiteren sichtete die Klägerin Bewerbungsunterlagen künftiger Auszubildender und kümmerte sich um die Verabredung von Vorstellungsgesprächen (Anlage K 7, Bl. 133). Die Klägerin fragte den Beklagten zudem am 03.07.2007, ob noch etwas vor Ort zu erledigen sei, was dieser verneinte. Sie übermittelte dem Beklagten am 04.07.2007 eine Preisliste für die Haarentfernung, sowie eine von ihr ausgearbeitete Kombibehandlung und schlug in der Kosmetik „Rabattwochen” vor. Die Klägerin bezog auch in den Monaten April bis Juli 2007 Gehalt von dem Beklagten. Mit Schreiben vom 18.07.2007 wandte sich die Firma S. wegen noch offener Forderungen an den Beklagten und teilte u. a. Folgendes mit (Bl. 59 d. GA.):
„… vorab gesagt, bedauere ich, dass ich Sie trotz Ihres Hinweises per Email, die Zuständigkeit einzuhalten, doch anschreiben muss und dass Sie so viel lesen müssen, doch bitte ich zu würdigen, dass ich mich durchaus in Ihrem Sinne bei Ihnen melde.
Dass ich Ihnen auf dem Postweg dieses Schreiben zukommen lasse liegt in der Annahme, dass Frau H. und Herr F. meine an Sie gerichteten Emails zu Frau H. umleiten. Allerdings habe ich seit der letzten Kontaktaufnahme und nach Ihrer Rückantwort keine weiteren Emails zu Ihnen gesendet, sondern ich habe mich bemüht, mit Frau H. die verschiedenen Vorgänge abzuschließen, was bis heute nicht möglich war.
Die Situation mit Ihrer Frau H. und unserem Herrn F. ist äußerst verfahren, daher spreche ich ganz offen. …”
Der neue Freund der Klägerin war der genannte Herr F..
Mit Schreiben vom 31.07.2007 erklärte der Beklagte die außerordentliche, hilfsweise fristgemäße Kündigung des Arbeitsverhältnisses (Bl. 5. d. GA.).
Der Beklagte hat behauptet,
die fristlose Kündigung sei berechtigt, weil die Klägerin unberechtigterweise veranlasst habe, dass ihr während ihrer über den 23.04.2007 hinaus fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit und nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums weiterhin Gehälter ausgezahlt wurden. Sie sei nicht mehr zur Arbeit erschienen un...