REVISION / RECHTSBESCHWERDE / REVISIONSBESCHWERDE ZUGELASSEN NEIN
Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung. Aufhebungsvertrag. widerrechtliche Drohung. Versendung von Kettenbriefen an Arbeitskollegen
Leitsatz (amtlich)
Wenn ein Arbeitnehmer, der an 15 Arbeitskollegen – als „Niederländisches Gebet” bezeichnete – Kettenbriefe verschickt, davon einen in einem Firmenbriefumschlag, mit dem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag schließt, um einer fristlosen Kündigung zuvorzukommen, kann den Aufhebungsvertrag nicht gemäß § 123 BGB wegen widerrechtlicher Drohung anfechten; denn ein verständiger Arbeitgeber hätte unter diesen Umständen eine fristlose Kündigung ernsthaft in Erwägung gezogen (BAG AP Nr. 21 zu § 123 BGB).
Normenkette
BGB § 123
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Urteil vom 22.01.1985; Aktenzeichen 4b Ca 2232/85) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 22. Januar 1985 wird auf seine Kosten zurückgewiesen
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob sie ihr Arbeitsverhältnis durch Vertrag vom 16. Oktober 1985 einvernehmlich zum 31. Dezember 1985 beendet haben.
Für den Sach- und Streitstand in erster Instanz wird gemäß § 543 ZPO auf das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 22. Januar 1986 nebst seinen Verweisungen Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat das Feststellungsbegehren des Klägers dahingehend, daß sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten fortbestehe, mit der Begründung abgewiesen, daß der Kläger die beiden Vereinbarungen vom 16. Oktober 1985 nicht wirksam angefochten habe; zum Abschluß dieser Vereinbarungen sei der Kläger nicht widerrechtlich durch Drohung von seiten der Beklagten bestimmt worden.
Gegen dieses ihm am 17. Februar 1986 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13. März 1986 Berufung eingelegt und diese, nachdem die Begründungsfrist am 09. April 1986 bis zum 13. Mai 1986 verlängert worden war, am 07. Mai 1986 begründet.
Der Kläger trägt vor: Die beiden Vereinbarungen vom 16. Oktober 1986 habe er wegen widerrechtlicher Drohung mit seinem Schreiben vom 08. November 1985 wirksam angefochten; er habe nämlich die bereits schriftlich vorformulierten Vereinbarungen letztlich unter dem Druck der ihm seitens der Beklagten angedrohten fristlosen Kündigung unterschrieben. Der Kläger sei sich zwar darüber im klaren, daß das Versenden des Kettenbriefes an Mitarbeiter aus betrieblicher Sicht nicht billigenswert sei; dieser Sachverhalt reiche aber unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt aus, eine fristlose Kündigung zu stützen. Der Kläger könne nämlich eine über 17-jährige unbeanstandete Betriebszugehörigkeit vorweisen, während der der Kläger sich untadelig geführt habe.
Das äußerste Mittel, das die Beklagte gegenüber dem Kläger hätte anwenden können, wäre eine schriftliche Abmahnung gewesen, zumal der Kläger nur zwei Briefumschläge, die den Firmenaufdruck der Beklagten getragen hätten, zur Versendung zweier „Kettenbriefe” verwandt habe, nämlich an das Betriebsratsmitglied K. sowie an die Gastwirtin Toni S.
Hinsichtlich des an Herrn K. versandten Briefes sei der Kläger überhaupt nicht auf den Gedanken gekommen, daß Herr K. der Ansicht sein könne, diesen Brief hätte ihm die Beklagte zugeschickt. Den für Herrn K. bestimmten Kettenbrief habe der Kläger ursprünglich mit „K. unterzeichnet; auch die Anschrift auf dem Briefumschlag habe er handschriftlich geschrieben; versehentlich habe er dann jedoch den mit „K.” unterschriebenen Kettenbrief nicht in den Umschlag gesteckt, der für Herrn K. bestimmt gewesen sei. Den mit „K.” unterschriebenen Brief habe ein anderer guter Bekannter erhalten, der das Schreiben offensichtlich wie alle anderen Empfänger nicht für ernstgenommen, sondern darüber nur gelacht und darauf hingewiesen habe, ihm sei gleich klar gewesen, daß der Brief von dem Kläger stamme. Auch gegenüber Herrn K. habe der Kläger nicht den Eindruck erwecken wollen, daß der Kettenbrief von der Beklagten komme. Der Kläger sei vielmehr davon ausgegangen, daß Herr K. der ja den Kläger näher gekannt habe, diesen auch sofort als Absender des Briefes erkennen würde, zumal der Kläger sich bei diesem Brief mit seiner Unterschrift deutlich habe zu erkennen geben wollen. Der Kläger sei daher gar nicht auf den Gedanken gekommen, daß Herr K. die Übersendung des Kettenbriefes als absichtlichen „Psychoterror” auffassen würde. Herr K. habe ihm auch in einem Gespräch am 04. Oktober 1985 erklärt, daß er, wenn er gewußt hätte, daß der Brief von dem Kläger stamme, die Sache nicht an die große Glocke gehängt hätte; er, K. sei aber vor etwa 2 Jahren bereits einmal telefonisch und brieflich anonym bedroht worden; als er den Kettenbrief erhalten habe, habe er zunächst angenommen, daß diese Dinge jetzt wieder losgehen würden; deshalb habe er die Sache an den Betriebsrat der Beklagten abgegeben; der Brief als solcher habe ihn vom Inhalt her gar nicht beeindruckt (Beweis: Zeugnis K.).
Im übrigen habe Herr K. die Beklagte gar nicht als Absender des Briefes ansehen können; denn die Beklagte schreibe auf ihren ...