Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf einen mehrgliedrigen Tarifvertrag
Leitsatz (amtlich)
Eine arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel auf einen mehrgliedrigen Tarifvertrag verstößt gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, sofern sich aus der Bezugnahmeklausel und den arbeitsvertraglichen Regelungen selbst nicht zugleich ergibt, unter welchen Voraussetzungen welcher der genannten Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden soll.
Normenkette
AÜG § 9 Nr. 2, § 10 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Elmshorn (Entscheidung vom 11.08.2011; Aktenzeichen 51 Ca 542 a/11) |
Tenor
1.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 11.08.2011, Az.: 51 Ca 542 a/11, wird zurückgewiesen.
2.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Differenzlohnansprüche des Klägers nach § 9 Nr. 2 AÜG.
Die Beklagte betreibt gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung. Der 26-jährige Kläger war bei ihr vom 27.08.2009 bis zum 31.01.2011 als Produktionshelfer beschäftigt. Der zunächst vom 27.08.2009 bis zum 26.02.2010 befristete Arbeitsvertrag vom 27.08.2009 enthält - soweit hier von Belang - folgende Regelungen (künftig nur: Arbeitsvertrag, Bl. 8 - 10 d. A.):
"§ 1 Vertragsgegenstand
1.
Der Arbeitnehmer wird als Produktionshelfer eingestellt. Er verpflichtet sich, bei Kundenunternehmen des Arbeitgebers an verschiedenen Orten im gesamten Bundesgebiet und ggf. im benachbarten Ausland tätig zu werden.
2.
Auf das Arbeitsverhältnis finden die einschlägigen Tarifverträge der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA und dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e. V. in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung.
§ 4 Vergütung / Zuschläge
1.
Die Vergütung erfolgt auf der Grundlage der für den Arbeitgeber gem. § 1 dieses Vertrages geltenden Tarifverträge (Entgeltrahmentarifvertrag und Entgelttarifvertrag West).
Der Arbeitnehmer wird entsprechend seiner Tätigkeit in die Entgeltgruppe E1 des Entgeltrahmentarifvertrages eingruppiert.
Der Stundenlohn beträgt danach 7,35 EUR brutto."
Mit einer Änderungsvereinbarung vom 27.02.2010 (Bl. 18 d. A.) entfristeten die Parteien den Arbeitsvertrag.
Unter dem Datum des 29.03.2010 schlossen die Parteien eine Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 27.08.2009 (künftig nur: Änderungsvereinbarung, Bl. 16 d. A.). In dieser heißt es unter anderem:
1.
Mit Wirkung vom 01.01.2010 erhält § 2 Absatz 1 des Arbeitsvertrages folgende Fassung:
Auf das Arbeitsverhältnis finden die zwischen dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e. V. (AMP) einerseits und der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP), der christlichen Gewerkschaft Metall (CGM), der DHV - Die Berufsgewerkschaft e. V. (DHV), dem Arbeitnehmerverband land- und ernährungswirtschaftlicher Berufe (ALEB), medsonet. Die Gesundheitsgewerkschaft (medsonet) andererseits abgeschlossenen Tarifverträge, derzeit bestehend aus Manteltarifvertrag, Manteltarifvertrag für die Auszubildenden, Entgeltrahmentarifvertrag, Entgelttarifverträge West und Ost sowie Beschäftigungssicherungsvertrag, in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung.
..."
Die Beklagte setzte den Kläger während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses bei der Firma A. GmbH ein. Sie zahlte an ihn in der Zeit von August 2009 bis Juni 2010 einen Grundstundenlohn in Höhe von 7,35 € brutto, für die Zeit ab Juli 2010 bis zum Januar 2011 einen solchen in Höhe von 7,60 € brutto. Auf ein Auskunftsbegehren des Klägers an die Firma A. GmbH nach § 13 AÜG teilte diese unter dem Datum des 20.04.2011 mit, dass für einen vergleichbaren Stammarbeitnehmer ein Stundenlohn in Höhe von 13,50 € brutto gelte (Bl. 61 d. A.).
Mit Anwaltsschreiben vom 16.02.2011 machte der Kläger gegenüber der Beklagten sogenannte Equal-Pay-Ansprüche geltend und forderte sie auf, eine Neuberechnung seines Lohnes für den Zeitraum August 2009 bis einschließlich Januar 2011 auf der Grundlage eines Stundenlohnes von 13,50 € brutto vorzunehmen (Bl. 37 - 39 d. A.). Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 23.02.2011 ab.
Mit seiner am 31.03.2011 vor dem Arbeitsgericht erhobenen Zahlungsklage verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter.
Der Kläger hat gemeint,
die Beklagte schulde ihm einen Stundenlohn in Höhe von 13,50 € brutto statt des gezahlten Stundenlohnes in Höhe von 7,35 € bzw. 7,60 € brutto. Das Bundesarbeitsgericht habe mit Beschluss vom 14.12.2010 - 1 ABR 19/10 - festgestellt, dass die CGZP keine Spitzenorganisation sei, die in eigenem Namen Tarifverträge abschließen könne. Folglich würden die von der CGZP abgeschlossenen Tarifverträge keine Wirkung auf die Arbeitsverhältnisse der hierunter fallenden Leiharbeitnehmer entfalten. Nach dem Equal-Pay-Grundsatz habe er als Leiharbeitnehmer nach §§ 9 Nr. 2, 10 Abs. 4 AÜG Anspruch auf den gleichen Arbeitslohn wie ihn die Stammbelegschaft in dem En...