Entscheidungsstichwort (Thema)

Verwirkung des Rechts auf Widerspruchs gegen Betriebsübergang. Unbegründeter Feststellungsantrag des Arbeitnehmers bei Erhebung des Widerspruch nach sechseinhalb Jahren und Änderungsvereinbarung mit der Betriebserwerberin zur tariflichen Eingruppierung

 

Leitsatz (amtlich)

Das Widerspruchsrecht nach § 613 a Abs. 6 BGB kann verwirken. Aufgrund eines in besonders krasser Weise erfüllten Zeitmoments (hier: mehr als 6 /12 Jahre) sind an das Umstandsmoment der Verwirkung deutlich geringere Anforderungen zu stellen. Auch eine viereinhalb Jahre nach dem Betriebsübergang getroffene sogenannte "Änderungsvereinbarung", bei der es sich im Rechtssinne lediglich um eine beiderseitige Bestätigung einer Höhergruppierung handelt, kann aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes nach außen dokumentieren, dass der Arbeitnehmer den Betriebserwerber als seinen neuen Arbeitgeber akzeptiert.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 613a Abs. 1 S. 1, Abs. 5-6; ZPO § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Entscheidung vom 06.06.2013; Aktenzeichen 2 Ca 2355 a/12)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 06.06.2013, Az.: ö. D. 2 Ca 2355 a/12, wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
  3. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses nach Widerspruch gegen einen Betriebsübergang.

Der 50-jährige Kläger war seit dem 01.04.1988 bis zum 31.12.2005 bei der Beklagten auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages beschäftigt, zuletzt als Mitarbeiter im Mittleren Dienst für die Service-Niederlassung Verbundinstandhaltung in Kiel. Mit Schreiben vom 14.11.2005 unterrichtete die Beklagte den Kläger über einen Betriebsteilübergang nach § 613a BGB u. a. wie folgt (Bl. 9 - 10 d. A.):

"der Bereich Management- und Instandhaltungen (technischer Service und Immobilienservice), der zur Zeit in der Service Niederlassung Verbundinstandhaltung der D. P. AG und in der D. P. I. GmbH wahrgenommen wird, soll zum 01.01.2006 reorganisiert und zukünftig von zwei Tochtergesellschaften, der D. Immobilien- und Servicemanagement GmbH und der D. P. Technischer Service GmbH (neu gegründete Gesellschaft), wahrgenommen werden.

Die D. P. Technischer Service GmbH wird ab 01.01.2006 im Konzern D. P. AG der zentrale Dienstleister für operative technische Leistungen sein. Vor diesem Hintergrund werden sämtliche Leistungen im Bereich des operativen technischen Service aus der Service Niederlassung Verbundinstandhaltung und der D. P. Immobilien- und Servicemanagement GmbH zur D. P. Technischer Service GmbH verlagert, um Synergieeffekte durch die Zusammenlegung der operativen Aufgaben in einer Organisationseinheit zu nutzen. ...

Zum 01.01.2006 sollen daher die regionalen Abteilungen "Verbundinstandhaltung", die Aufgaben Stab Controlling, Technisches Instandhaltungsmanagement (Sachgebiet 161), Konzernarchiv (Sachgebiet 166) und Soft- und Hardware Support (Sachgebiet 164) der Service Niederlassung Verbundinstandhaltung der D. P. AG in die D. P. Technischer Service GmbH im Wege der Einzelrechtsnachfolge überführt werden.

...

Da Ihr Arbeitsverhältnis von diesem Betriebsübergang betroffen sein wird, möchten wir Sie über die daraus resultierenden Folgen unterrichten:

Infolge des Betriebsübergangs wird Ihr Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 01.01.2006 gemäß § 613a Abs. 1 BGB auf die D. P. Technischer Service GmbH als Ihre neue Arbeitgeberin übergehen. Diese tritt dann in alle zum Überleitungszeitpunkt bestehenden Rechte und Pflichten aus Ihrem Arbeitsverhältnis ein. Damit haftet die D. P. Technischer Service GmbH auch für bestehende Verbindlichkeiten Ihrer bisherigen Arbeitgeberin. Gleichzeitig haftet die D. P. AG für Ansprüche, die bereits zum Überleitungszeitpunkt entstanden und fällig sind oder binnen eines Jahres fällig werden.

In tarifvertraglicher Hinsicht hat der Betriebsübergang im Wesentlichen folgende Bedeutung für Sie:

Bei der D. P. Technischer Service GmbH gelten ein eigenständiger Mantel- und Entgelttarifvertrag, die mit ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft vereinbart wurden. Außerdem wurde ein Tarifvertrag zur Teilnahme am Pensionsfonds abgeschlossen.

Zusätzlich zu diesen wurden mit ver.di8 - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft tarifvertragliche Regelungen für Arbeitnehmer vereinbart, die am 31.12.2005 bei der D. P. AG in einem tariflichen Arbeitsverhältnis stehen und am 01.01.2006 gem. § 613a BGB zur D. P. Technischer Service GmbH übergeleitet werden, für die Dauer dieses Arbeitsverhältnisses. Hierzu zählen:

...

Die bislang auf Ihr Arbeitsverhältnis anwendbaren Betriebsvereinbarungen gelten - soweit es sich um den Inhalt Ihres Arbeitsverhältnisses gestaltende Regelungen handelt - individualvertraglich im Rahmen des § 613a Abs. 1 BGB weiter und können nicht vor Ablauf eines Jahres ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs zu Ihrem Nachteil verändert werden. Dies gilt nicht, sofern sie durch kollektivrechtliche Regelungen (Tarifverträge und Betriebsv...

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