Entscheidungsstichwort (Thema)
Freistellungsanspruchs des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber für Schäden am arbeitgeberseits angemieteten Lastkraftwagen einer gewerblichen Autovermieterin bei mietvertraglicher Haftungsbegrenzung mit Eigenbeteiligung. Zahlungsklage der Autovermieterin gegen den Arbeitgeber aufgrund eines gepfändeten Freistellungsanspruchs des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber
Leitsatz (amtlich)
1. Verursacht ein angestellter Kraftfahrer an einem Fahrzeug, das sein Arbeitgeber bei einem gewerblichen Vermieter gemietet hat, einen Schaden, so kann er sich bei einer direkten Inanspruchnahme durch einen Vermieter auch auf die Haftungsfreizeichnungen berufen, die sein Arbeitgeber im Mietvertrag mit dem Vermieter vereinbart hat. (hier: sogenannte Haftungsbegrenzung für Schäden am Mietwagen- CDW - mit Eigenbeteiligung) Dies gilt selbst dann, sofern im Mietvertrag die Haftungsbegrenzung nicht ausdrücklich auch für den Fahrer vereinbart ist.
2. Im Falle grober Fahrlässigkeit des Fahrers kann er sich bei einer direkten Inanspruchnahme durch den geschädigten Vermieter auf § 81 II VVG berufen (Kürzung nach Schwere des Verschuldens)
3. Im Umfang der berechtigten Inanspruchnahme des Fahrers durch den geschädigten Vermieter kann im Einzelfall der Fahrer trotz grober Fahrlässigkeit einen Freistellungsanspruch gegen seinen Arbeitgeber haben.
4. Zur Begrenzung der Haftung der Arbeitnehmer (hier: Kraftfahrer in Vollzeit bei € 1.250,00 brutto monatlich) auf drei Bruttomonatsgehälter. 5. Der Freistellungsanspruch ist pfändbar. Es widerspricht nicht Treu und Glauben, wenn der Vermieter den Mieter auf Zahlung auf der Grundlage einer Pfändung des Freistellungsanspruches des Arbeitnehmers in Anspruch nimmt, obwohl der Vermieter mit dem Mieter im Mietvertrag eine Haftungsbegrenzung mit Eigenbeteiligung nach Art einer Vollkaskoversicherung vereinbarte.
Normenkette
BGB §§ 242, 254, 276 Abs. 2, § 307 Abs. 2, § 823 Abs. 1; ZPO §§ 287, 836 Abs. 1; VVG § 81 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Entscheidung vom 17.07.2013; Aktenzeichen 4 Ca 270/13) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 17.07.2013 - 4 Ca 270/13 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 2.691,03 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 30.07.2012 zu zahlen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt 65 %, der Beklagte 35 % der Kosten des Rechtsstreits (beide Rechtszüge).
Die Revision wird für die Parteien nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Zahlung auf der Grundlage eines gepfändeten vermeintlichen Freistellungsanspruches, der einem beim Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer zustehen soll. Der Beklagte begehrt von der Klägerin widerklagend die Rückzahlung einer von ihm geleisteten Selbstbeteiligung wegen eines Verkehrsunfalls.
Die Klägerin ist eine überregionale Autovermieterin. Sämtliche von ihr vermieteten Fahrzeuge sind lediglich haftpflichtversichert, eine Vollkaskoversicherung besteht nicht. Der Beklagte betreibt eine Spedition. Er beschäftigt seit dem 01. Oktober 2010 den Arbeitnehmer K... als Fahrer in Vollzeit und zahlt dafür eine Vergütung in Höhe von brutto 1.250,00 EUR. Der Arbeitnehmer K... ist 1973 geboren, verheiratet und laut Lohnsteuerkarte einem Kind zum Unterhalt verpflichtet.
Am 01. September 2011 mietete der Beklagte über die H-M... GmbH bei der Klägerin einen in deren Eigentum stehenden LKW des Typs Mercedes Benz Atego. Es handelte sich dabei um ein Ersatzfahrzeug, welches der Beklagte im Austausch für ein in der Werkstatt befindliches Fahrzeug erhielt. Als optionale Leistung vereinbarte er mit der Klägerin die Option Haftungsbegrenzung für Schäden am Mietwagen (CDW) mit einer Selbstbeteiligung in Höhe von 1.100,00 Euro.
In den Mietbedingungen der Klägerin, die Inhalt des Mietvertrages mit dem Beklagten wurden, heißt es zur Haftung bei Verlust oder Beschädigung:
"4.1 Vorbehaltlich etwaiger Abzüge aufgrund der von Ihnen gewählten Optionen gemäß Ziffer 4.2 haften Sie uns gegenüber für sämtliche Schäden und Kosten, die uns im Falle eines Verlustes, einer Beschädigung oder eines Diebstahls des Fahrzeuges, seiner Teile oder seines Zubehörs während des Mietverhältnisses entstehen. Die Haftung kann die Kosten für Reparaturen, Wertverluste des Fahrzeugs, entgangene Mieteinkünfte, Abschlepp- und Lagerungskosten sowie eine Bearbeitungsgebühr umfassen, welche ggf. unsere Kosten für die Bearbeitung eines Anspruches aus dem Schaden am Fahrzeug deckt, sofern der Schaden nicht in unserem Verantwortungsbereich liegt oder nicht durch einen Dritten oder dessen Versicherer festgestellt wurde, dass er im Verantwortungsbereich des Dritten liegt. Im Schadenfall werden wir versuchen, das Fahrzeug so schnell wie möglich zu reparieren. Sie haften uns gegenüber nicht für Kosten oder Schäden, wenn der Verlust oder der Schaden unmittelbar auf unser Verschulden oder unsere Verletzung d...