Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegungslast und Beweislast eines Anfechtenden für die eine vorsätzliche Täuschung begründenden Umstände und deren Ursächlichkeit für die angefochtene Willenserklärung i.R.e. Aufhebungsvertrags
Leitsatz (redaktionell)
Eine Täuschung i.S.d. § 123 BGB kann auch in dem Verschweigen von Tatsachen bestehen, soweit der Erklärende zu deren Offenbarung verpflichtet war. Der Anfechtende trägt die Darlegungs- und Beweislast für die eine vorsätzliche Täuschung begründenden Umstände sowie deren Ursächlichkeit für die angefochtene Willenserklärung. Soweit der Zeuge die Behauptungen des Klägers nicht bestätigt hat, stellt dies keinen Grund für eine Beweislastumkehr dar.
Normenkette
BGB § 123 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Entscheidung vom 22.09.2022; Aktenzeichen 3 Ca 217 öD/22) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 22.09.2022 - 3 Ca 217 öD/22 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrags.
Der Kläger ist gelernter Industriemechaniker. Er war für die Beklagte unter Berücksichtigung von Berufsausbildungszeiten seit dem 15. September 2005 tätig. Zuletzt arbeitete er als stellvertretender Gerätemeister Feuerwehr und verdiente durchschnittlich 4.355,09 EUR brutto im Monat. Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) und dem Besonderen Teil "Verwaltung" und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung.
Im April 2021 ging bei dem Wehrführer der Beklagten eine anonyme Anzeige ein. Der Anzeigende behauptete, dass Gegenstände der Freiwilligen Feuerwehr R. über das eBay-Konto "tr...." veräußert würden. Eine Auswertung des Kontos ergab, dass auf Bildern zu diesem Konto der Kläger mit Mundschutz zu sehen war und zahlreiche - neue wie gebrauchte - Gegenstände eines Feuerwehrbetriebes angeboten wurden. Die Beklagte beschloss daraufhin, Testkäufe durchzuführen. Dazu wurden bestimmte Gegenstände aus dem Bestand der Feuerwehr in R. markiert. Der Testkäufer veranlasste zwei Testkäufe. Die Ware ging zunächst beim Testkäufer ein und wurde nach Erhalt am 6. Mai 2021 im verschlossenen Paket der Polizeidienststelle R. übergeben mit der Bitte, diese polizeilich zwecks Spurenermittlung zu öffnen. Als Absender war auf den Paketen die Adresse des Klägers angegeben, allerdings der Name seiner Ehefrau. Nachdem die Polizei die Pakete geöffnet hatte, stellte der bei der Beklagten beschäftigte Herr G. am 10. Mai 2021 fest, dass die im Testkauf erworbenen Gegenstände im Bestand der Feuerwehr R. fehlten.
Die Prozessbevollmächtigte der Beklagten, die diese schon vor diesem Verfahren beriet, erhielt am 10. Mai 2021 den Auftrag, eine Personalratsanhörung für eine beabsichtigte außerordentliche und hilfsweise ordentliche Tatkündigung zu entwerfen. Diesen Auftrag führte sie umgehend aus (Anlage B1).
Für den 11. Mai 2021 lud die Beklagte den Kläger zu einem Gespräch ins Rathaus. An dem Gespräch nahmen der Fachbereichsleiter Personal Herr P., die Rechtsamtsleiterin Frau S., die Mitarbeiterin Frau Sch. als Protokollkraft sowie Herr als Personalratsmitglied teil. Die Mitarbeiter der Beklagten warfen dem Kläger vor, Eigentum der Beklagten entwendet und dieses anschließend über einen privaten eBay-Account für eigene Rechnung verkauft zu haben. Der Kläger bestritt die Verkäufe über seinen Account nicht, vertrat indes die Auffassung, bei den veräußerten Gegenstände habe es sich um ausgesonderte Gerätschaften gehandelt, die auf den Müll sollten. Er sei insoweit zur Veräußerung berechtigt gewesen. Die Beklagte bot dem Kläger in diesem Gespräch u.a. den Abschluss eines Aufhebungsvertrags zum 30. Juni 2021 an. Sie gab ihm Gelegenheit, den Vertrag bis zum darauffolgenden Mittwoch, 12. Mai 2022, 13:00 Uhr anzunehmen. Die Beklagte erstellte ein Protokoll der Anhörung (Anlage B4). Einzelheiten des Gesprächs sind streitig.
Am 12. Mai 2021 schlossen die Parteien einen auf den 11. Mai 2021 datierten Aufhebungsvertrag (Anlage K3). Sie einigten sich darauf, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30. Juni 2021 endet. Gegenüber der Arbeitsagentur gab die Beklagte auf der Arbeitsbescheinigung an, dass sie das Arbeitsverhältnis bei Nichtabschluss des Aufhebungsvertrags nicht gekündigt hätte (vgl. Anlage K6).
Bereits am 6. Mai 2021 hatte Herr G. Strafanzeige gegen den Kläger erstattet. In der Ermittlungsakte (LG K. 570 Js ) ist ein Telefonat der zuständigen Kriminalbeamtin mit Frau S. dokumentiert. Dort heißt es u.a., Frau S. habe erklärt, dass dem Kläger im Rahmen des Gesprächs am 11. Mai 2021 nicht dargelegt worden sei, dass ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet worden ist. Am 17. Juni 2021 fand beim Kläger eine Hausdurchsuchung statt. Das Ermittlungsverfahren ist mittlerweile gemäß § 153 Abs. 1 Satz 1 StPO eingestellt worden.
Mit Datum...