Entscheidungsstichwort (Thema)

Wahlvorstand. Vergütung. Kurzarbeit. Ehrenamt. Schulung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Tätigkeit eines Mitglieds des Wahlvorstandes, die außerhalb seiner Arbeitszeit stattfindet, ist vom Arbeitgeber nicht zu vergüten, denn sie erfolgt ehrenamtlich; § 37 Abs. 3 BetrVG gilt nur für Betriebsratsmitglieder und ist auch nicht entsprechend auf die Tätigkeit des Wahlvorstandes anwendbar.

2. Zumindest der Vorsitzende des Wahlvorstandes hat Anspruch auf Vergütung für den während seiner Arbeitszeit erfolgten Besuch einer Schulungsveranstaltung über die Wahlvorschriften des BetrVG Die Schulung ist auch dann erforderlich, wenn der Wahlvorstandsvorsitzende Jahre zuvor eine Wahl geleitet hat, weil die Wahlvorschriften für juristische Laien außerordentlich kompliziert sind und das Wissen in einer mehrstündigen Veranstaltung aktualisiert werden muß, damit die Wahl fehlerfrei durchgeführt werden kann.

 

Normenkette

BetrVG §§ 20, 37; GG Art. 12 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Neumünster (Urteil vom 07.12.1993; Aktenzeichen 1d Ca 819/93)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 26.04.1995; Aktenzeichen 7 AZR 874/94)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 7. Dezember 1993 – 1d Ca 819/93 – teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt dahin neu gefaßt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 41,15 DM brutto nebst 4 v. H. Zinsen auf den sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 4. Oktober 1993 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Berufung wird im übrigen, die Anschlußberufung wird insgesamt zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte 1/6 und der Kläger 5/6.

Gegen das Urteil wird die Revision zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Vergütung für seine Tätigkeit als Wahlvorstand.

Im März 1993 wurde der Kläger – seinerzeitiges Betriebsratsmitglied – zum Mitglied des Wahlvorstandes bestimmt und als dessen Vorsitzender gewählt. Am 12. März 1993 von 13.00 bis 15.00 Uhr schulte ein Vertreter der IG Metall die Mitglieder des Wahlvorstandes über das Wahlverfahren. In der Woche vom 22. bis 26. März 1993 tagte der Wahlvorstand mehrfach, um die Wählerlisten zu erstellen; in dieser Woche hatte der Kläger wegen Kurzarbeit nicht zu arbeiten. Am 1. April 1993 wurde darüber abgestimmt, ob eine gemeinsame Wahl stattzufinden hat. Im Mai 1993 fand im Betrieb der Beklagten die Betriebsratswahl statt.

Der Kläger begehrt Vergütung für folgende Zeiträume:

12.03.1993

13.00–15.00 Uhr

2,00 Std.

18.03.1993

12.15–14.27 Uhr

2,25 Std.

22.03.1993

10.09–11.38 Uhr

1,50 Std.

24.03.1993

9.00–11.56 Uhr

2,75 Std.

25.03.1993

9.15–11.05 Uhr

1,25 Std.

26.03.1993

9.57–10.59 Uhr

1,00 Std.

01.04.1993

14.27–16.48 Uhr

2,00 Std.

12,75 Std.

Der Kläger arbeitete in Frühschichten und in Spätschichten, die für ihn maßgebliche Frühschicht begann um 6.00 Uhr und endete um 14.27 Uhr, so am 12.03. und 01.04.1993; die Spätschicht begann um 14.27 Uhr, so am 18.03.1993.

Der Kläger war hierzu der Ansicht: Ihm stehe auch für die Zeiten außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeiten und für Zeiten der Kurzarbeit eine Vergütung für die Tätigkeit im Wahlvorstand zu. Die Vorschriften für Betriebsratsmitglieder seien entsprechend anwendbar.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 352,81 DM brutto abzüglich 82,97 DM netto zuzüglich 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit dem 04.10.1993 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen: Während der Zeiten der Kurzarbeit erhalte der Kläger Kurzarbeitergeld. Wenn er während dieser Zeit Wahlvorstandsarbeit leiste, habe er dafür keine besondere Vergütung zu beanspruchen. Die Arbeit als Wahlvorstand sei ehrenamtlich; die Vorschriften für die Vergütung von Betriebsratsarbeit außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit seien nicht anwendbar.

Wegen des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien im einzelnen wird auf die Verweisungen im Urteil Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 233,16 DM brutto abzüglich 82,87 DM netto nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit dem 04.10.1993 zu zahlen. Es hat die weitergehende Klage abgewiesen und die Berufung für die Beklagte zugelassen.

Es hat seine Entscheidung im wesentlichen darauf gegründet, daß der Kläger für die Tätigkeit als Mitglied des Wahlvorstandes in der Woche vom 22. – 26. März 1993 einen Vergütungsanspruch in Höhe des ihm zustehenden Stundenlohnes abzüglich gezahlten Kurzarbeitergeldes habe. Der Anspruch ergebe sich aus § 20 Abs. 3 BetrVG in analoger Anwendung von § 37 Abs. 3 BetrVG. Es sei nicht ersichtlich, daß § 20 Abs. 3 BetrVG absichtlich die Verweisung auf § 37 Abs. 3 BetrVG unterlassen habe. Es sei von einer nicht beabsichtigten, offenen Lücke auszugehen. Diese sei im vorliegenden Fall durch Einzelanalogie zu schließen. Die Tatbestände, ob ein Betriebsratsmitglied oder ein Wahlvorstandsmitglied außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit tätig werde, seien wertungsmäßig als gleich...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge