Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustandekommen eines Arbeitsvertrags durch schlüssiges Handeln. Kein konstitutives Schriftformerfordernis für Arbeitsverträge im Tarifvertrag
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Arbeitsvertrag wird nach Maßgabe der §§ 145 ff. BGB durch Antrag und Annahme geschlossen. Die aufeinander bezogenen Willenserklärungen können mündlich, schriftlich oder konkludent durch schlüssiges Verhalten abgegeben werden. Schlüssig kann ein Arbeitsvertrag etwa zustande kommen durch eine Realofferte und deren konkludente Annahme. Es muss durch ein bestimmtes Verhalten der Parteien ihr übereinstimmender Wille zum Ausdruck kommen, einander arbeitsvertraglich verbunden zu sein.
2. Nach der langjährigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat ein tarifliches Schriftformerfordernis für Arbeitsverträge regelmäßig nur deklaratorische, nicht aber konstitutive Wirkung. Wenn nichts anderes im Tarifvertrag festgelegt ist, ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien den Abschluss mündlicher Arbeitsverträge als wirksam gelten lassen wollten.
Normenkette
BGB § 125 S. 1, §§ 145-147, 151, 623; MTV § 5
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Entscheidung vom 19.12.2017; Aktenzeichen 3 Ca 381 e/17) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 19.12.2017 - 3 Ca 381 e/17 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht.
Der Kläger ist seit dem 04.11.2006 bei der V. C. S. GmbH (VCS), einer Konzerntochter der Beklagten am Standort R. beschäftigt. Er ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Mit der Bearbeitung der Personalangelegenheiten im Konzern - auch für die VCS - ist die Abteilung HR Business Services der D. T. S. E. GmbH (DTSE) beauftragt. Für die Beklagte gilt eine Konzernrichtlinie (Bl. 114 - 127 d.A.), nach der sämtliche Dokumente - bis auf wenige hier nicht relevante Ausnahmen - mit zwei Unterschriften zu zeichnen sind. Nach § 5 des zwischen der Beklagten und ver.di abgeschlossenen Manteltarifvertrages bedarf der Abschluss eines Arbeitsvertrages der Schriftform.
Anfang 2016 zeichnete sich ab, dass die VCS im Jahr 2016 ihren Standort in R. schließen werde. Für den Kläger wurde eine andere Beschäftigungsmöglichkeit im Konzern gesucht, um ihn wohnortnah beschäftigen zu können.
Mit E-Mail vom 28.4.2016 übersandte der Mitarbeiter O. des Bereichs Business Projects (BPR) der Beklagten an den Kläger diverse Willkommensinformationen (Anlage K 2, Bl. 8 - 22 d.A.). In der E-Mail stellte sich Herr O. als zukünftiger Ansprechpartner und "fachliche Führungskraft" des Klägers vor. Der BPR war auf der Grundlage eines Werkvertrages zwischen der D. T. T. GmbH (DTT) und der Beklagten mit der Durchführung eines Projekts in R. beauftragt. Im Rahmen einer Telefonkonferenz am 11.05.2016 teilte Herr O. unter anderem dem Kläger mit, dass er zum 1.06.2016 zur Beklagten "wechseln" werde. In einer weiteren Telefonkonferenz am selben Tag bestätigte auch der Personalchef der VCS K., dass ein Wechsel unter anderem des Klägers zur Beklagten abgesprochen worden sei. Ebenfalls am selben Tag übersandte der Kläger die ihm mit den Willkommensinformationen zugeleitete Einverständniserklärung, in der er sich damit einverstanden erklärte, zum 01.06.2016 auf einen Personalposten mit der Bewertung T 5 als Supporter Projektmanagement im Bereich BPR mit Regelarbeitsstätte in R. versetzt zu werden (Anlage K 3, Bl. 23 d.A.) sowie eine Einverständniserklärung zur Datenverarbeitung und eine Vertraulichkeitsverpflichtung (Bl. 24/25 d.A.) an die Beklagte zurück. Die Beklagte bat ihren Betriebsrat um Zustimmung zur Einstellung des Klägers. Der Betriebsrat stimmte zu.
Mit Schreiben vom 17.05.2016 übersandte die Abteilung HR Business Services dem Kläger einen Auflösungsvertrag für sein Arbeitsverhältnis mit der VCS zum 31.05.2016. Diesen unterzeichnete der Kläger nicht, da er noch keinen schriftlichen Arbeitsvertrag von der Beklagten bekommen hatte. Ab 01.06.2016 war der Kläger entsprechend seinem Einverständnis als Supporter Projektmanagement tätig. Anders als bei der VCS betrug seine wöchentliche Arbeitszeit entsprechend dem Tarif der Beklagten 34 Stunden, nicht mehr 38 Stunden. Mit E-Mail vom 26.08.2016 bat der Kläger um eine Bestätigung des Beschäftigungsverhältnisses mit der Beklagten. In einer Telefonkonferenz am 20.09.2016 wurde dem Kläger und weiteren Mitarbeitern erklärt, es liege ein "Fehler" vor; der Einsatz des Klägers solle im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung erfolgen. Dem Kläger wurde eine auf den 23.09.2016 datierte, von der VCS bereits unterzeichnete Zusatzvereinbarung zu seinem Anstellungsvertrag mit der VCS übersandt. Diese lautet auszugsweise:
"§ 1 Konzern-Arbeitnehmerüberlassung, Arbeitszeit
...
2. Die Gesellschaft ist berechtigt, Sie im Rahmen des bestehenden Arbeitsverhältnisses ab dem 01.10.2016 befristet bis zum Ablauf des 31.12.2017 im Berufsbild/Tätigkeitsfeld Service Center Agent mit 100 % Ihrer mit der G...