Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung. Nichtigkeit. Kündigungsschreiben. Schriftform. Schriftformerfordernis. Unterschrift, eigenhändige. Computerunterschrift. Formnichtige Kündigung bei Unterzeichnung mit Computerunterschrift

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gemäß § 623 BGB bedarf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; nach § 126 Abs. 1 BGB muss die Urkunde (das Kündigungsschreiben) von der Ausstellerin eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet sein, wenn die gesetzliche Schriftform vorgeschrieben ist.

2. Die Unterzeichnung des Kündigungsschreibens lediglich mit einer Computerunterschrift genügt nicht den Anforderungen des § 126 Abs. 1 BGB; die Kündigung ist deshalb nichtig (§ 125 Satz 1 BGB).

3. Nach § 138 Abs. 3 ZPO gelten Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, als zugestanden, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, den übrigen Erklärungen der Partei zu entnehmen ist; vagen Ausführungen der Arbeitgeberin zu unterschiedlichen Unterschriften des Unterzeichners lassen nicht die Schlussfolgerung zu, dass die Arbeitgeberin bestreitet, dass das Kündigungsschreiben eine Computerunterschrift trägt.

4. Die Nichtigkeit einer gemäß § 623 BGB formunwirksamen Kündigung kann der Arbeitnehmer auch außerhalb der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG geltend machen; nach der zum 01.01.2004 in Kraft getretenen Fassung des § 4 KSchG entscheidet der Zugang der "schriftlichen" Kündigung über den Beginn der Klagefrist.

 

Normenkette

BGB § 125 S. 1, § 126 Abs. 1, § 623; ZPO § 138 Abs. 2-3; KSchG § 4

 

Verfahrensgang

ArbG Neumünster (Entscheidung vom 18.08.2011; Aktenzeichen 2 Ca 342 c/11)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 18.08.2011 - 2 Ca 342 c/11 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses.

Der Kläger trat am 1. Januar 2010 als Oberbauleiter mit einem Bruttomonatsgehalt von 4.500,00 EUR in die Dienste der Beklagten. Dem Arbeitsverhältnis liegt der Anstellungsvertrag vom 6. November 2009 zugrunde (Anlage 1 = Bl. 3 ff. d. A.).

Die Beklagte ist ein Bauträgerunternehmen. Sie beschäftigt regelmäßig weniger als 10 Arbeitnehmer.

Die Beklagte hat dem Kläger am 18. November 2010 ein Kündigungsschreiben vom selben Tag (Anlage 2 = Bl. 6 d. A.) übermittelt. Darin ist dem Kläger die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen worden. Auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine arbeitgeberseitige Kündigung vom 12. November 2010 hat sich die Beklagte in der Berufungsverhandlung nicht mehr berufen.

Der Kläger hat sich gegen die Kündigung vom 18. November 2010 zunächst mit der Begründung gewandt, ein wichtiger Grund zur Kündigung liege nicht vor. Mit Schriftsatz vom 25. Mai 2011 (Bl. 42 ff. d. A.) hat der Kläger erstmals geltend gemacht, dass die Unterschrift auf dem Kündigungsschreiben unter Zuhilfenahme eines Computers in das Kündigungsschreiben eingefügt worden sei. Herr H. habe nicht eigenhändig unterschrieben.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die von der Beklagten erklärte Kündigung vom 18. November 2010 nicht aufgelöst worden ist und

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, die Kündigung vom 18. November 2010 habe das Arbeitsverhältnis beendet. Der Kläger hätte die Rechtsunwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung innerhalb von drei Wochen geltend machen müssen. Da er dies nicht getan habe, sei sein jetziger Einwand, die Kündigung sei formunwirksam, verspätet. Die Beklagte hat behauptet, aus den ihren Prozessbevollmächtigten vorliegenden Unterlagen könne nicht geschlossen werden, dass der Vorstand der Beklagten die Kündigung nicht unterzeichnet habe. Im Übrigen liege ein wichtiger Grund zum Ausspruch der Kündigung vor. Der Kläger habe unberechtigt Fliesen aus dem Betrieb der Beklagten weggeschafft und bei sich eingebaut.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Beklagte habe die Kündigung vom 18. November 2010 nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form ausgesprochen. Der Kläger habe vorgetragen, dass die Unterschrift in das Kündigungsschreiben vom 18. November 2010 unter Zuhilfenahme eines Computers eingefügt worden sei. Dazu habe sich die Beklagte nicht hinreichend erklärt. Eine unter Zuhilfenahme eines Computers eingefügte Unterschrift sei aber keine Originalunterschrift und erfülle deshalb das Schriftformerfordernis des § 126 Abs. 1 BGB nicht. Der Kläger habe diesen Mangel außerhalb der dreiwöchigen Geltendmachungsfrist des § 4 Satz 1 KSchG geltend machen können, da § 4 KSchG nur die schriftliche Kündigung, also die gemäß § 126 Abs. 1 BGB ordnungsgemäß zustande gekommene Kündigung, betreffe. Außerdem sei die Kündigungserklärung we...

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