Entscheidungsstichwort (Thema)
Entschädigungszahlung. Altersdiskriminierung. Anforderungsprofil. Geeignetheit. Ernsthaftigkeit der Bewerbung. Entschädigungszahlung aufgrund Altersdiskriminierung bei der Einstellung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Stellenanzeige, nach der ein/e „jüngere/r” Buchhalter/in gesucht wird, enthält eine Altersdiskriminierung, weil von vornherein ältere Bewerber nicht angesprochen und damit benachteiligt werden.
2. Erfüllt ein Bewerber das in der Stellenanzeige festgelegte Anforderungsprofil augenscheinlich nicht, kann er keine Entschädigungszahlung nach § 15 Abs. 2 AGG beanspruchen.
3. Allein der Umstand, dass sich ein Arbeitnehmer parallel und zeitnah auf zahlreiche Stellen im gesamten norddeutschen Bereich beworben hat, ist für sich genommen nicht geeignet, die Ernsthaftigkeit seiner Bewerbung in Frage zu stellen, insbesondere wenn er sich ganz überwiegend auf „neutrale” Stellenanzeigen ohne diskriminierenden Inhalt beworben hat, seit langem arbeitslos und gegenüber vier Personen unterhaltsverpflichtet ist.
4. Ein rechtsmissbräuchliches AGG-Hopping liegt nicht bereits dann vor, wenn ein Arbeitnehmer gegenüber zahlreichen Arbeitgebern Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche nach § 15 AGG geltend macht. Vielmehr muss sich aus den weiteren Umständen des konkreten Einzelfalles ergeben, dass es dem Beschäftigten mit seiner Bewerbung vornehmlich nicht um den Erhalt eines Arbeitsplatzes, sondern um die Geltendmachung etwaiger Entschädigungsansprüche ging. Solche Umstände lagen hier vor.
Normenkette
AGG § 15 Abs. 2, § 7 Abs. 1, § 1 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 05.06.2008, Az.: 5 Ca 453 b/08, wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Revision nicht gegeben; im Übrigen wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.
Tatbestand
Im Berufungsverfahren streiten die Parteien um Entschädigungsansprüche des Klägers wegen Altersdiskriminierung.
Der am …1965 geborene Kläger ist ausgebildeter Groß- und Außenhandelskaufmann, verheiratet und drei Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtet. Von 1986 bis 2004 war er selbstständiger Kaufmann und führte die Firma B. G.. Über die Firma des Klägers und sein Privatvermögen wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Das beim Amtsgericht T. geführte Insolvenzverfahren, Az.: …, wurde zwischenzeitlich beendet. Der Kläger ist seit mehreren Jahren arbeitslos und bezieht Arbeitslosengeld II.
Mit Schreiben vom 07.10.2007 (Bl. 7 d. A.) bewarb sich der Kläger auf eine Stellenanzeige der Beklagten vom 06./07.10.2007, die – soweit hier von Belang – folgenden Wortlaut hatte (Bl. 6 d. A.):
„…
Wir suchen daher zur Verstärkung unseres Teams sofort:
jüngere/n Buchhalter/in in Vollzeit
Ihr Profil:
Abgeschlossene Berufsausbildung mit mehrjähriger Berufserfahrung in Rechnungswesen, Finanzbuchhaltung und MS-Office, Betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse sind wünschenswert.
Ihre Aufgaben:
Alle anfallenden Arbeiten in der Fibu, Zahlungsverkehr und Mahnwesen. Begleitung bei der Einführung eines neuen Warenwirtschaftssystems. Aufgaben in der Assistenz der Geschäftsführung.
…”
Mit dem Bewerbungsschreiben legte der Kläger sein Zeugnis der Fachoberschule Wirtschaft vom 26.06.1986 (Bl. 8 – 9 d. A.), ein Zeugnis vom 09.08.1985 über eine Ausbildung beim Autohaus T. (Bl. 10 d. A.), ein Prüfungszeugnis über eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandels-Kaufmann vom 16.07.1985 (Bl. 11 d. A.), ein Abschlusszeugnis der berufsbildenden Schulen B. vom 12.07.1985 (Bl. 12 d. A.) sowie ein Zeugnis des S. Maschinenschreib-Instituts vom 14. September 1981 (Bl.13 d. A.) vor.
Mit Anschreiben vom 16.10.2007 sandte die Beklagte dem Kläger die Bewerbungsunterlagen mit den Worten
„… es war nicht leicht aus der Flut der Bewerbungen die richtige Wahl zu treffen. Leider konnten wir uns trotz Ihrer Qualifikation nicht für Sie entscheiden. …”
zurück (Bl. 14 d. A.). Zum 01.12.2007 stellte die Beklagte eine 25-jährige Mitarbeiterin zu einem Monatsgehalt von EUR 1.974,00 brutto ein. Mit Schreiben vom 13.12.2007 kündigte der Kläger gegenüber der Beklagten Schadensersatzansprüche nach dem AGG an (Bl. 15 d. A.) an.
Der Kläger ist laut Auskunft des AGG-Archives Gleiss/Lutz in 24 Fällen mit Entschädigungsforderungen aufgefallen (vgl. die Liste Bl. 35 – 36 d. A.). Unstreitig führt bzw. führte der Kläger vor diversen Arbeitsgerichten im norddeutschen Bereich, so u. a. neben K. in S., E., H., B., V. und L., zahlreiche Entschädigungsklagen nach dem AGG. Alleine vor dem Arbeitsgericht H. sind bzw. waren im September 2008 ca. 36 Entschädigungsklagen anhängig. Die Klagschriften haben zum Teil einen identischen Wortlaut mit dem vorliegenden Verfahren. Seit dem 18.08.2008 hat der Kläger als Organisationsberater und Mitarbeiter Support ein neues Arbeitsverhältnis (Bl. 91 ff. d. A.).
Mit der am 07.03.2008 erhobenen Klage hat der...