Entscheidungsstichwort (Thema)
Altersdiskriminierung. Geeignetheit des Bewerbers. Ernsthaftigkeit des Bewerbung. Widerklage wegen Rechtsanwaltskosten. Altersdiskriminierung eines „jüngeren” Bewerbers
Leitsatz (amtlich)
Ein für die Stelle nicht geeigneter Bewerber kann nicht wegen seines Alters diskriminiert werden. Der Begriff „jünger” hat keine festen Grenzen, sondern bedarf der Wertung im Hinblick auf die in Aussicht genommene Stelle.
Normenkette
AGG § 15 Abs. 1-2, §§ 7, 1; BGB § 280
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Widerklage wird abgewiesen.
3. Der Kläger trägt die Kosten des gesamten Rechtsstreits.
4. Der Wert des Streitgegenstands beträgt 42.136,50 Euro.
Tatbestand
Der Kläger verlangt Schadensersatz und Entschädigung wegen einer Altersdiskriminierung. Die Beklagte macht im Wege der Widerklage Schadensersatz in Höhe der entstandenen Rechtsanwaltskosten geltend.
Der Kläger ist 42 Jahre alt, verheiratet und drei Kindern unterhaltsverpflichtet.
Der Kläger führte seine eigene Firma, die Firma E. von 1986 bis 2004 als selbständiger Kaufmann. Über die Firma des Klägers und sein Privatvermögen wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Insolvenzverfahren wird bei dem Amtsgericht Tostedt unter dem Aktenzeichen … geführt. Der Kläger ist seit mehreren Jahren arbeitslos und bezieht Arbeitslosengeld II. Er hat seitens des Insolvenzverwalters und der Agentur für Arbeit die Auflage bekommen, sich auf alle zumutbaren Stellen zu bewerben.
Mit Schreiben vom 07.10.2007 hatte sich der Kläger auf eine Stellenanzeige der Beklagten vom 06./07.10.2007 als Buchhalter beworben (Bl. 7 d.A.).
Die Stellenanzeige vom 06./07.10.2007 hatte folgenden Wortlaut:
„…. Wir suchen daher zur Verstärkung unseres Teams sofort:
jüngere/n Buchhalter/in in Vollzeit
Ihr Profil:
Abgeschlossene Berufsausbildung mit mehrjähriger Berufserfahrung in
Rechnungswesen, Finanzbuchhaltung und MS-Office, Betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse sind wünschenswert.”
Wegen des weiteren Inhalts der Anzeige wird Bezug genommen (Bl. 6 d.A.).
Mit dem Bewerbungsschreiben legte der Kläger seine Zeugnisse der Fachoberschule Wirtschaft vom 26.06.1986 (Bl. 8 – 9 d.A.), ein Zeugnis der vom 09.08.1985 über eine Ausbildung beim Autohaus T. (Bl. 10 d.A.), ein Prüfungszeugnis über eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandels-Kaufmann vom 16.07.1985 (Bl. 11 d.A.), ein Abschlusszeugnis der berufsbildenden Schulen B. vom 12.07.1985 (Bl. 12 d.A.) sowie ein Zeugnis des Sch. Maschinenschreib-Instituts vom 14. September 1981 (Bl.13 d.A.) vor.
Der Kläger erhielt die Stelle jedoch nicht. Die Beklagte sagte mit Schreiben vom 16.10.2007 ab (Bl. 14 d.A.).
Mit Schreiben vom 13.12.2007 forderte der Kläger die Beklagte auf, ihm eine angemessene Entschädigung in Höhe von drei Brutto-Monatsgehältern zu zahlen (Bl. 15 d.A.).
Der Kläger ist laut Auskunft des AGG-Archives G./L. in 24 Fällen mit Entschädigungsforderungen aufgefallen (vgl. die Liste Bl. 35 – 36 d.A.). Der Kläger führt zwei weitere Klagen, eine vor dem Arbeitsgericht Hamburg, Aktenzeichen … (Bl. 37 bis 41 d.A.) und eine vor dem Arbeitsgericht Lüneburg (Bl. 42 bis 45 d.A.). Die Klagschriften haben einen identischen Wortlaut mit dem vorliegenden Verfahren.
Der Kläger ist der Ansicht, dass die Klage nicht rechtsmissbräuchlich sei. Er habe sich ernsthaft auf die Stellenanzeige der Beklagten beworben und hätte sie bei einer Zusage der Beklagten auch angenommen. Er habe sich im Zeitraum vom 25.07.2005 bis zum 06.04.2007 auf insgesamt 643 Stellen beworben, hierbei habe es sich bei 115 um diskriminierende Stellenausschreibungen gehandelt, was ca. 18 % entspreche. Entschädigungsansprüche seien nur vereinzelt geltend gemacht worden.
Der Kläger behauptet, dass er die für die Position eines Buchhalters üblichen Anforderungen erfüllen würde. Er behauptete, dass er aufgrund seiner abgeschlossenen kaufmännischen Ausbildung und seiner Berufserfahrung in Rechnungswesen, Finanzbuchhaltung und MS-Office sehr gut in der Lage sei, die von der Beklagten in der Stellenanzeige aufgeführten Aufgaben zu erledigen. Er sei für die ausgeschriebene Stelle objektiv geeignet. Betriebswirtschaftliche Kenntnisse seien nach der Stellenanzeige der Beklagten wünschenswert. Der von der Beklagten vorgelegte Ausbildungsrahmenplan hinsichtlich der Ausbildungsinhalte im Jahre 1986 entfalte keine Aussagekraft. Er habe während seiner selbstständigen Tätigkeit die Buchhaltung selbst erledigt. Deshalb verfüge er auch über mehrjährige Erfahrungen im Rechnungswesen und in der Finanzbuchhaltung. Darüber hinaus besitze er mehrjährige Erfahrungen in MS-Office. Er habe während seiner Selbständigkeit auch mehrere Finanzbuchhaltungsprogramme vertrieben und auch seine Kunden in diesen Programmen geschult. Er sei jederzeit in der Lage sich in kürzester Zeit in neue Buchhaltungssoftware einzuarbeiten. Die Insolvenz seiner Firma habe nichts mit mangelnden betriebswirtschaftlichen Kenntnissen, sondern mit dem ruinösen W...