Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit einstweiliger Verfügungen im Arbeitskampf (Anforderungen an Verfügungsgrund und -anspruch). Tarifliche Friedenspflicht und Arbeitskampf. Unterlassungsanspruch gegen rechtswidrige Streikmaßnahmen. Recht des Ag. am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Auslegung einer tariflichen Protokollnotiz (Auslegungsgrundsätze)

 

Normenkette

ZPO §§ 935, 940; GG Art. 9 Abs. 3; TVG § 1; BGB § 823 Abs. 1; EFZG §§ 3, 4 a

 

Verfahrensgang

ArbG Neumünster (Urteil vom 04.12.1996; Aktenzeichen 3b Ga 29/96)

 

Tenor

1. Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Neumünster – Az.: 3b Ga 29/96 – vom 04.12.1996 wird der Beklagten unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 500.000,– DM für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt, Kampfmaßnahmen in dem Betrieb und Unternehmen der Klägerin, nämlich

N

selbst durchzuführen, zu übernehmen oder durchführen zu lassen, insbesondere die Arbeitnehmer dieser Betriebe zu Arbeitsniederlegungen aufzurufen oder aufrufen zu lassen, soweit es sich um Arbeitskampfmaßnahmen zur Regelung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall handelt.

2. Die Zustellung zur Nachtzeit sowie an Sonn- und Feiertagen wird zugelassen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren um die Rechtmäßigkeit der Untersagung von Arbeitskampfmaßnahmen in dem Betrieb und Unternehmen der Klägerin in N.

Wegen des Sach- und Streitstandes, wie er in erster Instanz vorgelegen hat, wird gem. § 543 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Klägerin auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung als unbegründet abgewiesen und dies im wesentlichen wie folgt begründet:

Die einstweilige Verfügung sei zulässig; insbesondere sei das angerufene Arbeitsgericht gem. § 29 ZPO, § 269 BGB für die Entscheidung des Rechtsstreits örtlich zuständig.

Der Antrag sei jedoch nicht begründet.

Der Verfügungsanspruch könne nicht mit einer Verletzung der relativen Friedenspflicht durch die Verfügungsbeklagte begründet werden. Vorliegend gebe es keine tariflich geregelte Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, da § 10 Abs. 1 MTV aufgrund der Protokollnotiz Nr. 2 mit dem 01.10.1996 außer Kraft getreten sei. Mit der Neufassung des Entgeltfortzahlungsgesetzes sei nicht nur die Höhe der Entgeltfortzahlung, sondern auch die Dauer des Bezuges jedenfalls für Arbeitnehmer in den ersten vier Wochen des Arbeitsverhältnisses geändert worden. Sei ein solcher Arbeitnehmer beispielsweise für insgesamt sechs Wochen erkrankt, liege aber der Beginn der Erkrankung in den ersten vier Wochen des Arbeitsverhältnisses, so erhalte er keine Entgeltfortzahlung für insgesamt sechs Krankheitswochen; die Dauer sei gekürzt um den Zeitraum, der in die ersten vier Wochen des Arbeitsverhältnisses falle.

Sei deshalb die Entgeltfortzahlung ab dem 01.10.1996 nicht mehr tariflich geregelt, bestehe auch kein mit der Verletzung der Friedenspflicht zu begründendes Arbeitskampfverbot.

§ 16 MTV (Anrufung des Tarifschiedsgerichts) sei hier nicht anzuwenden, da dies einen Streitfall zwischen den Tarifvertragsparteien voraussetze. Daß der Bundesverband der Süßwarenindustrie mit der Beklagten über die Auslegung und Anwendung der Protokollnotiz Nr. 2 uneinig wäre, sei dem Vortrag der Parteien nicht zu entnehmen. Die Verfügungsklägerin sei selbst nicht Tarifvertragspartei.

Die Arbeitskampfmaßnahmen seien auch nicht deshalb rechtswidrig, weil sie verfrüht, vor Ausschöpfung aller Verhandlungsmöglichkeiten, eingeleitet worden wären. Nach dem gescheiterten Gespräch vom 31.10.1996 und vor Beginn der Arbeitskampfmaßnahmen am 02.12.1996 habe es weitere, insgesamt 40-stündige, Verhandlungen gegeben.

Im übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin am Tag seiner Verkündung, und bevor die schriftlichen Urteilsgründe vorgelegen haben, Berufung eingelegt.

Zur Begründung nimmt sie auf ihren erstinstanzlichen Vortrag vollinhaltlich Bezug und macht sich die Begründung des Urteils des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein in dem Parallelrechtsstreit 6 Sa 553/96 zu eigen.

Die Klägerin beantragt,

  1. unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Neumünster, Az. 3b Ga 29/96, vom 04.12.1996 der Antragsgegnerin unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 500.000,– DM für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu untersagen, Kampfmaßnahmen in dem Betrieb und Unternehmen der Antragstellerin, nämlich

    selbst durchzuführen, zu übernehmen oder durchführen zu lassen, insbesondere die Arbeitnehmer dieser Betriebe zu Arbeitsniederlegungen aufzurufen oder aufrufen zu lassen, soweit es sich um Arbeitskampfmaßnahmen zur Regelung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall handelt;

  2. die Zustellung zur Nachtzeit sowie an Sonn- und Feiertagen zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 09.12.1996 (Bl. ...

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