REVISION / RECHTSBESCHWERDE / REVISIONSBESCHWERDE ZUGELASSEN NEIN

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Konkursverwalter-Vertretung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Konkursverwalter ist nicht stets daran gehindert, sich bei der Abgabe von Willenserklärungen durch einen Bevollmächtigten vertreten zu lassen. Vielmehr ist zu unterscheiden:

  1. Die §§ 164 ff. BGB gelten uneingeschränkt, soweit der Konkursverwalter nur anstelle des Gemeinschuldners Rechtshandlungen vornimmt, die dieser wegen § 6 KO nicht mehr selbst ausführen kann, z. B. Rechtshandlungen im Zusammenhang mit der Fortführung des Betriebes.
  2. Dagegen ist bei sog. konkurstypischen Rechtshandlungen, die außerhalb des Konkursverfahrens nicht möglich sind, eine Stellvertretung grundsätzlich ausgeschlossen.
 

Normenkette

BGB § 164

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Urteil vom 21.05.1987; Aktenzeichen 2 Ca 766/87)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 21. Mai 1987 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um eine aus betrieblichen Gründen ausgesprochene fristgemäße Kündigung, welche der Beklagte als Konkursverwalter über das Vermögen der Firma S.-W. GmbH in Lübeck-Travemünde durch einen Bevollmächtigten hat aussprechen lassen.

Der Kläger war bei der Gemeinschuldnerin seit 1980 als Arbeiter (Hauer und Schleifer) beschäftigt. Mit Schreiben vom 24. Februar 1987 (Bl. 3 d. A.) wurde dem Kläger die fristgemäße Kündigung zum 30. April 1987 ausgesprochen. Das Kündigungsschreiben ist unter dem Briefkopf des Beklagten aufgesetzt und am Ende mit dem Stempel des Beklagten versehen, jedoch nicht vom Beklagten persönlich, sondern von dem freien Mitarbeiter des Beklagten S. „in Vollmacht” unterzeichnet.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die ausgesprochene Kündigung sei aus konkursrechtlichen Gründen rechtsunwirksam, da der Beklagte sich bei Ausspruch der Kündigung nicht habe vertreten lassen dürfen. Der Kläger hat im Kammertermin am 21. Mai 1987 zu Protokoll erklärt, daß er das Vorbringen des Beklagten zu der betrieblichen Auslastung vom Mai 1987 an nicht mehr bestreite. Es gehe dem Kläger allein um die konkursrechtliche Problematik (Bl. 16 d. A.).

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien aufgrund der Kündigung vom 24. Februar 1987 nicht zum 30. April 1987 aufgelöst wurde, sondern über diesen Termin fortbesteht.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat geltend gemacht, daß die Konkursverfahren der H. Gruppe fast 4.000 Mitarbeiter beträfen. Er könne aus diesem Grunde nicht alle Angelegenheiten in Person regeln. Die der Kündigung zugrundeliegenden Entscheidungen, insbesondere die zum Ausspruch der Kündigung selbst, habe er persönlich getroffen. Er habe sich bei der Abgabe der Kündigungserklärung vertreten lassen dürfen.

Das Arbeitsgericht hat im Tatbestand des Urteils unstreitig gestellt, daß der Beklagte die zum Ausspruch der Kündigung führenden Entscheidungen persönlich getroffen habe. Es hat die Klage abgewiesen und die Entscheidung damit begründet, daß sich der Beklagte durch den Mitarbeiter S. habe vertreten lassen können.

Gegen dieses ihm am 12. Juni 1987 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22. Juni 1987 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Der Kläger rügt weiterhin, daß die ausgesprochene Kündigung aus formellen Gründen rechtsunwirksam sei. Er beruft sich nunmehr darauf, daß der Beklagte keine ordnungsgemäße Sozialauswahl getroffen und auch keine Auskunft zu der von ihm getroffenen sozialen Auswahl erteilt habe.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien aufgrund der Kündigung vom 24. Februar 1987 nicht zum 30. April 1987 aufgelöst wurde, sondern über diesen Termin fortbesteht.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Er vertritt die Auffassung, daß die Frage der Sozialauswahl nach dem Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils nicht Streitgegenstand sei. Hilfsweise bezieht sich der Beklagte auf sein erstinstanzliches Vorbringen. Er habe allen Schleifern einschließlich der Vorarbeiter und Kolonnenführer gekündigt, so daß eine soziale Auswahl nicht anzustellen gewesen sei. Die Schleifarbeiten würden von den Fachkräften miterledigt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszuge wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, da sie dem Wert der Beschwer nach statthaft ist und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 511, 518 ZPO; §§ 64, 66 ArbGG). In der Sache ist sie jedoch gerechtfertigt.

1.) Die Kündigung der Beklagten ist nicht bereits aus formellen Gründen rechtsunwirksam. Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß der Beklagte nicht gehindert war, sich bei Abgabe der Kündigungserklärung durch den freien Mitarbeiter S. vertreten zu lassen. Trotz der höchstpersönlichen Natur des Amtes des Kon...

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