Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliches Urlaubsgeld für gewerbliche Beschäftigte des privaten Omnibusgewerbes in Schleswig-Holstein. Unbegründete Zahlungsklage auf zusätzliche Differenzvergütung wegen zu niedriger Urlaubsentgelte. Unzulässige Feststellungsanträge bei fehlendem Feststellungsinteresse
Leitsatz (amtlich)
1. Für eine Feststellungsklage besteht trotz der Möglichkeit einer Leistungsklage ein Feststellungsinteresse, wenn durch sie der Streit der Parteien insgesamt beseitigt werden kann.
2. § 16 Abs. 6 MTV für Arbeitnehmer des privaten Verkehrsgewerbes regelt die Berechnung der Urlaubsvergütung auch für Arbeitnehmer, die regelmäßig erheblich über die tariflich vorgesehene Wochenarbeitszeit hinaus arbeiten.
3. Die Vorschrift ist wegen Verstoßes gegen § 1 BUrlG unwirksam, soweit sie auch die Ermittlung des Urlaubsentgelts für den gesetzlichen Urlaub der Arbeitnehmer erfasst (im Anschluss an: LAG Schleswig-Holstein vom 08.02.2012 - 6 Sa 37/11).
4. Diese Unwirksamkeit erstreckt sich nicht auf die Berechnung des Entgelts für den tariflichen Urlaubv, sodass bei der Abrechnung des Urlaubs nach tariflichem und gesetzlichem Urlaub zu differenzieren ist.
5. Zur Wahrung einer tariflichen Ausschlussfrist muss in einem Geltendmachungsschreiben zumindest annähernd angegeben werden, in welcher Höhe Forderungen erhoben werden, damit sich der Anspruchsgegner schlüssig werden kann, wie er sich verhalten soll
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1; BUrlG §§ 1, 11 Abs. 1; MTV privates Omnibusgewerbe SH § 16 Abs. 6, § 18 Abs. 3, § 25; LTV § 6 Nr. 3; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Elmshorn (Entscheidung vom 20.03.2012; Aktenzeichen 3 Ca 185 b/11) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 20.03.2012 - 3 Ca 185 b/11 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Abrechnung der Urlaubs-, Krankheits- und Feiertagsvergütung des Klägers in den Jahren 2007 bis 2009 sowie daraus resultierend um Zahlungsansprüche.
Der Kläger, der nicht Mitglied der Gewerkschaft ver.di ist, ist seit dem 01.03.2001 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern als Busfahrer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft vertraglicher Bezugnahme der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer des privaten Omnibusgewerbes in Schleswig-Holstein (MTV) Anwendung.
§ 16 VI MTV lautet aufgrund einer zum 01.01.2007 wirkenden Änderung seitdem:
"Während der Dauer des Urlaubs wird der Lohn nach folgender Maßgabe fortgezahlt: Die Lohnfortzahlung erfolgt auf der Basis von 8 Std. pro Tag bei einer 5-Tage-Woche bzw. 7 Std. pro Tag bei einer 6-Tage-Woche unter Zugrundelegung des Tabellenlohnes."
§ 18 III MTV verweist für die Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auf § 16 VI MTV.
Aufgrund einer Absprache zwischen der Beklagten und ver.di gibt es für die Abrechnung des Urlaubs/Krankheit eine Übergangsregelung, wonach in 2007 9,25 Std./Tag, in 2008 8,75 Std./Tag und in 2009 8 Std./Tag abgerechnet werden. Die tariflich nicht geregelte Abrechnung der Feiertagsvergütung erfolgt bei der Beklagten ebenfalls nach den Grundsätzen des § 16 VI MTV.
§ 25 MTV lautet:
"(1) Ansprüche aus Mehr-, Sonn- und Feiertagsarbeit, auf Zahlung von Abwesenheitsgeldern und von Zulagen aller Art sowie auf Rückzahlung von Barauslagen sind spätestens 2 Monate nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen.
(2) Alle übrigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind binnen 3 Monate nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs aus, um die Ausschlussfrist auch für später fällig werdende Leistungen unwirksam zu machen.
(3) ...
(4) Nach Ablauf der angeführten Fristen ist die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschlossen."
§ 6 des ebenfalls auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Lohntarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer des privaten Omnibusgewerbes in Schleswig-Holstein (LTV) lautet:
"(2) Ansprüche aus Mehr-, Sonn- und Feiertagsarbeit, aus Zahlungen von Spesen und Zulagen aller Art sowie auf Rückzahlungen von Barauslagen sind spätestens 2 Monate nach Fälligkeit schriftlich oder mündlich unter Zeugen geltend zu machen.
(3) Alle übrigen Ansprüche aus dem Tarifvertrag oder dem Einzelarbeitsvertrag sind binnen 3 Monaten nach Fälligkeit ... schriftlich geltend zu machen.
(4) Nach Ablauf der angeführten Frist ist die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschlossen."
Tatsächlich war der Kläger in den Jahren 2007 bis 2009 an keinem Tag arbeitsunfähig erkrankt. Er arbeitete (auch) in diesem Zeitraum erheblich über die tarifliche Arbeitszeit von 39 Wochenstunden hinaus. Seinen gesetzlichen Urlaub nahm der Kläger in den Jahren 2008 und 2009 wie folgt: März 2008: 6 Tage, Mai 2008: 5 Tage, Juli 2008: 4 Tage, August 2008: 1 Tag, Oktober 2008: 4 Tage, April 2009: 9 Tage, Juni 2009: 2 Tage, Juli 2009: 9 Tage. Im Oktober 2008 nahm der Kläger 8 Tage tariflichen Urlaub, im Juli 2009 e...