REVISION / RECHTSBESCHWERDE / REVISIONSBESCHWERDE ZUGELASSEN NEIN

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung. wichtiger Grund. Verfristung des Kündigungsgrundes. Verdachtskündigung. Diebstahl. strafrechtliche Verurteilung. unkündbarer Arbeitnehmer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Entwendung von im Eigentum des Arbeitgebers stehenden Sachen ist, unabhängig vom Wert der Sachen, regelmäßig ein wichtiger Grund, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, weil die Grundlage für vertrauensvolle Zusammenarbeit dadurch entfallen ist. Ein schwerer Verstoß gegen die Verhaltenspflichten des Arbeiters des öffentlichen Dienstes, wie sie im § 9 Abs. 9 MTB II festgehalten sind, kann die Voraussetzungen für das Vorliegen des wichtigen Grundes i. S. v. § 59 MTB II erfüllen. Ein solcher schwerer Verstoß gegen § 9 Abs. 9 MTB II liegt vor, wenn der Arbeiter wegen strafbarer Handlungen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist.

 

Normenkette

MTB II §§ 59, 9 Abs. 9; BGB § 626

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Urteil vom 22.04.1986; Aktenzeichen 3b Ca 441/86)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 22. April 1986 – 3b Ca 441/86 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 29.01.1986.

Der 49 Jahre alte, verheiratete Kläger war vom 17.10.1966 an gegen ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von zuletzt 3.933,– DM auf dem Truppenübungsplatz P. der Beklagten beschäftigt. Er übte seit 1968 die Tätigkeit eines Kraftfahrers aus.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag für Arbeiter des Bundes vom 27.02.1964 (MTB II) Anwendung.

Vor ca. 9 Jahren hatte der Kläger einen Strafbefehl über 200,– DM wegen Diebstahls von Bundeswehrschrott erhalten.

Am 18. Juni 1984 begann die Polizeistation O. aufgrund eines anonymen Anrufs gegen den Kläger wegen Verdachts des Diebstahls bzw. der Unterschlagung von Munitionsschrott zu ermitteln. Im Verlauf dieser Untersuchung, in die seit Juni 1984 auch der Kommandant des Truppenübungsplatzes P. Oberstleutnant W. bzw. dessen Stellvertreter, Major G. sowie andere Offiziere und mindestens seit Anfang November 1984 das Bundesverteidigungsministerium –Abteilung ES (Ermittlung in Sonderfällen)–, das seit diesem Zeitpunkt auch selbst Ermittlungen in der Standortverwaltung (StOV) P. durchführte, eingeschaltet waren, gab der Kläger zu, seit Jahren Munitionsschrott, den andere Mitarbeiter und Soldaten des Truppenübungsplatzes P. ihm geliefert hätten, verkauft zu haben. Am 05.12.1984 erhielt die StOV P. ein Fernschreiben von der Abteilung ES aus Bonn mit folgendem Inhalt: „Am 27.11.1984 teilte mir die Staatsanwaltschaft in Lübeck mit, daß sie gegen Helmut W. wegen des Verdachts des Diebstahl von Munitionsschrotteilen ermittelte. W. hat bei seiner polizeilichen Vernehmung zugegeben, innerhalb der zurückliegenden fünf Jahre Schrott und Munitionsschrotteile an Sich gebracht und unerlaubterweise verkauft zu haben. Den aus den Schrottverkäufen herrührenden Erlös hat W. teils für sich behalten, teils an Arbeiter auf dem Truppenübungsplatz P. weitergereicht. Bei einem Schrotthändler in Lübeck konnte die Kripo in Oldenburg/H. Auszahlungsbelege auf den Namen W. in Höhe von insgesamt 104.700,– DM sicherstellen. Ich bitte, die notwendigen arbeitsrechtlichen Maßnahmen durchzuführen.” Am 17.12.1984 wurde der Kläger vom Leiter des Sachgebiets II (zuständig für Personalangelegenheiten) der StOV P. angehört. Der Kläger sagte unter anderem aus:

„Ich gebe zu, daß ich seit mindestens 5 Jahren Munitionsschrotteile …, die ich teilweise selbst auf dem Truppenübungsplatz P. gesammelt habe beziehungsweise von dort tätigen Mitarbeitern der Truppenübungsplatzkommandantur P. beziehungsweise der Standortverwaltung P. erhalten habe, an einen in Lübeck ansässigen Schrotthändler veräußert habe … Am 18.06.1984 wurde mein Privat-PKW durch die örtliche Polizeidienststelle durchsucht. Die sich im PKW befindlichen Schrotteile wurden sichergestellt. Im Verlauf der nachfolgenden Woche habe ich noch folgenden Schrott verkauft: Ca. 700–800 kg Aluminiumteile, ca 600 kg Messinghülsen. Ich gebe zu, daß ich wußte, daß die durchgeführten Schrottverkäufe von mir nicht getätigt werden durften, war mir jedoch keiner Schuld bewußt, da nach meiner Kenntnis lediglich der Truppenübungsplatz von Munitionsresten gesäubert wurde und außerdem der Schrottverkauf in dieser Form schon seit Jahrzehnten so abläuft. Meine monatlichen Einnahmen betrugen durchschnittlich 400,– bis 500,– DM …”

Am 20.12.1984 teilte der Kommandant W. dem Personalrat mit, daß beabsichtigt sei, das Arbeitsverhältnis des Klägers durch außerordentliche Kündigung zu beenden. Der Personalrat trug dagegen keine Bedenken vor. Mit Schreiben vom 29.12.1984, das zwei Mitarbeiter der StOV am gleichen Tage um 8.45 Uhr morgens in den Briefkasten des Klägers einwarfen, sprach die Beklagte die fristlose Kü...

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