Entscheidungsstichwort (Thema)

Drohung mit Arbeitsunfähigkeit. Abmahnung. hier: ausnahmsweise kein Kündigungsverzicht. ordentliche verhaltensbedingte Kündigung. Verzicht auf Kündigungsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Abmahnung enthält grundsätzlich einen Kündigungsverzicht bezogen auf das in der Abmahnung gerügte Fehlverhalten. Dies gilt ausnahmsweise nicht, wenn der Abmahnung nach dem Empfängerhorizont zu entnehmen ist, dass sich der Kündigungsberechtigte das Recht zur Kündigung wegen des gerügten Fehlverhaltens unter bestimmten Voraussetzungen doch noch vorbehält.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2 S. 1; ZPO § 286 Abs. 1 S. 1, § 398 Abs. 1; BGB §§ 133, 157, 242

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Urteil vom 04.05.2004; Aktenzeichen 6 Ca 2640/02)

 

Tenor

1. Die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Lübeck vom 4. Mai 2004, Az. 6 Ca 2640/02, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien führen einen Kündigungsrechtsstreit.

Der 43-jährige Kläger ist verheiratet und drei Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtet. Er ist seit dem 13.12.2000 als LKW-Fahrer bei der Beklagten zu einem Monatslohn von EUR 2.556,46 beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundesrahmentarifvertrag für das Bauwesen Anwendung.

Mit Schreiben vom 05.07.2002 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass es aus innerbetrieblichen Gründen nicht möglich sei, ihm zusammenhängend fünf Wochen Urlaub zu gewähren. Er erhalte vom 15.07. – 02.08.2002 Urlaub und habe folglich am Montag, den 05.08.2002 seine Arbeit wieder aufzunehmen (Bl. 17 d. GA.). Am 08.07.2002 fand in Anwesenheit des Zeugen H… ein Gespräch zwischen den Parteien statt, in welchem nochmals streitig über die Länge des dem Kläger bewilligten Sommerurlaubs gesprochen wurde. Der genaue Inhalt des Gesprächs ist zwischen den Parteien streitig. Der Kläger trat am 15.07.2002 seinen Urlaub an und fuhr mit seiner Familie in sein Heimatland K…. Unter dem 18.07.2002 übermittelte die Beklagte dem Kläger ein Schreiben folgenden Wortlauts (Bl. 10 d. GA.):

„Abmahnung

Sehr geehrter Herr S…,

am 08. Juli 2002 ist Ihnen durch Herrn J… brieflich mitgeteilt worden, dass Sie aus betrieblichen Gründen lediglich 3 und nicht die von Ihnen gewünschten 5 Wochen Urlaub erhalten können. Daraufhin beschimpften Sie in unsachlicher und unflätiger Form Herrn J… (Zeuge Herr M… H…) und erklärten, dass Sie sich im K… nochmals 4 bis 6 Wochen krankschreiben ließen, womöglich noch länger. Herr J… würde sich noch wundern. Wir könnten Ihnen sodann kündigen, Sie würden uns jedoch vor Gericht dann sehr lange Ärger machen. Sodann verließen Sie das Büro mit den Worten, Sie würden nunmehr 5 Wochen in Urlaub gehen.

Mit Ihrem Verhalten haben Sie in schwerwiegender Weise gegen Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Ganz abgesehen davon, dass Sie sich während des Gesprächs im Ton vergriffen haben, stellt die Drohung, sich krankschreiben zu lassen oder den Urlaub eigenmächtig zu verlängern, einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Pflichten aus dem Arbeitsvertrag dar.

Daher mahnen wir Sie hiermit ab und weisen Sie darauf hin, dass Sie bei einem erneuten Verstoß gegen Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten mit arbeitsvertraglichen Konsequenzen bis hin zur Kündigung rechnen müssen. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass Sie ihre Drohung wahr machen und Ihre Arbeit am 05. August 2002 nicht wieder aufnehmen.”

Am 01.08.2002 rief der Kläger den Geschäftsführer der Beklagten an und teilte ihm mit, dass er krank sei. Ausweislich eines Attestes aufgrund des Jugoslawisch – Deutschen Abkommens über Soziale Sicherheit war der Kläger vom 01.08.2002 bis voraussichtlich 16.08.2002 arbeitsunfähig (Bl. 8 d. GA.). Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 05.08.2002 fristgemäß zum 20.08.2002 (Bl. 3 d. GA.). Gegen diese Kündigung hat der Kläger am 21.08.2002 Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Lübeck erhoben.

Wegen des streitigen Vortrags der Parteien in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Das Arbeitsgericht hat am 11.03.2003 durch Vernehmung des Zeugen H… darüber Beweis erhoben, ob der Kläger den Geschäftsführer der Beklagten am 08.07.2002 beschimpft und zudem angekündigt habe, dass er sich zur Verlängerung seines Urlaubs im K… krankschreiben lassen werde. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Vernehmungsprotokolle vom 11.03.2003 und vom 14.10.2003 verwiesen (Bl. 44 – 46, 118 – 121 d. GA.). Des Weiteren hat das Arbeitsgericht eine schriftliche Zeugenaussage gem. § 377 Abs. 3 ZPO des den Kläger im K… behandelnden Arztes Dr. H… D… eingeholt. Wegen des dem Kläger mitgeteilten Beweisthemas wird auf Bl. 133 d. GA. und wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme, d. h. des Inhalts der ärztlichen Stellungnahme des Zeugen D…, auf Bl. 158 – 160 d. GA. verwiesen. Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 04.05.2004 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass nach dem ...

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