REVISION / RECHTSBESCHWERDE / REVISIONSBESCHWERDE / ZUGELASSEN NEIN

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Verdachtskündigung. besondere Vertrauensposition bei Verdachtskündigung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Beschränkung der Verdachtskündigung auf Arbeitnehmer in besonderen Vertrauenspositionen ist nicht gerechtfertigt, denn jedes Arbeitsverhältnis ist auf, Treue und Fürsorge aufgebaut und geht daher von einem besonderen Vertrauenstatbestand aus. An ihre Zulässigkeit sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen.

 

Normenkette

BGB § 626

 

Verfahrensgang

ArbG Flensburg (Urteil vom 26.11.1985; Aktenzeichen 2 Ca 1046/85)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 26. November 1985 – 2 Ca 1046/85 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung, die der Beklagte ausgesprochen hat.

Hinsichtlich des Tatbestandes wird gem. § 543 ZPO auf das angefochtene Urteil nebst seinen Verweisungen und die im Berufungsrechtszuge gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist dem Werte des Beschwerdegegenstandes nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Die Berufung konnte jedoch aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils keinen Erfolg haben. Insoweit bezieht sich die Berufungskammer gemäß § 543 ZPO in vollem Umfang auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.

Die Angriffe der Berufung können eine abweichende Beurteilung der Sach- und Rechtslage nicht rechtfertigen. Die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze der Parteien sowie das Ergebnis der mündlichen Verhandlung haben keine entgegenstehenden oder neuen Gesichtspunkte erkennbar werden lassen.

Ergänzend wird darauf hingewiesen: Der Berufung ist zwar darin beizutreten, daß eine gemeinschaftlich abgegebene Erklärung von gekündigten Arbeitnehmern gegenüber ihren Arbeitskameraden: ‚Stell' Dir vor, wir haben die Kündigung erhalten, lassen uns aber krankschreiben,” im Zusammenhange mit dem Wegbleiben derselben Arbeitnehmer vom Folgetage an ein starkes Indiz für ein kollusives Zusammenwirken zum Nachteil des Beklagten darstellt. Mit der Berufung kann in einem derartigen Fall beim Arbeitgeber der Verdacht aufkommen, die Arbeitnehmer wollten sich bis zum Ende der Kündigungsfrist durch das Vortäuschen von einer zur Arbeitsunfähigkeit führenden Krankheit-, bezahlte Freizeit erschleichen. Insoweit hat das Arbeitsgericht auch zutreffend darauf hingewiesen, daß der Verdacht des Vortäuschens einer Arbeitsunfähigkeit und damit des Betruges in Betracht kommen könne.

Der Verdacht einer strafbaren Handlung ist zutreffend als Kündigungsgrund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB erkannt, denn der wichtige Grund kann auch ans dem Verdacht einer strafbaren Handlung hergeleitet werden, wenn es gerade der Verdacht ist, der das zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen in die Rechtschaffenheit des Arbeitnehmers zerstört oder in einer anderen Weise zu einer unerträglichen Belastung des Arbeitsverhältnisses führt (BAG AP 1, 5, 9, 13 zu § 626 BGB „Verdachtskündigung”; LAG Niedersachsen, Urteil vom 12.2.1981 – 8 Sa 86/80 –; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 19.3.1984 – 5 Sa 755/83 – und LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 31.1.1985 – 5 Sa 340/84 –).

Die Verdachtskündigung kann nicht nur dann zugelassen werden, wenn der Arbeitnehmer eine besondere Vertrauensposition einnimmt. Hierbei ist der Auffassung von Moritz (NJW 1978, Seite 402–406) nicht zu folgen. Dieser will das Institut der Verdachtskündigung eingrenzen auf Arbeitnehmer besonderer Vertrauenspositionen, und zwar auf solche Arbeitnehmer, die einerseits selbst ausschließlich Kontrollfunktionen wahrnehmen, wie Wach- und Schließpersonal und andererseits hervorgehobene Positionen als Leitende Angestellte, Geschäftsführer und ähnliches innehaben. Diese Beschränkung der Verdachtskündigung auf besondere Vertrauenspositionen ist nicht gerechtfertigt. Jedes Arbeitsverhältnis ist auf Treue und Fürsorge aufgebaut und geht daher im Gegensatz zu den meisten anderen Schuldverhältnissen von einem besonderen Vertrauenstatbestand aus. Auch trägt die Abgrenzung zwischen besonderen Vertrauenspositionen und normalen Vertrauensverhältnissen nicht zur Klärung bei, sondern löst; allenfalles Zweifel an der Verdachtskündigung aus (vergl. Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz – Hillebrecht – § 626 Rdnr. 175; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 31.1.1985 – 5 Sa 340/84 –). Vielmehr reicht der schwerwiegende Verdacht: der Unterschlagung bei einer Verkäuferin, die an der Kasse bedient, der begründete Verdacht, der Arbeiter habe an der Stempeluhr manipuliert oder der schwerwiegende Verdacht, die angestellte Verkäuferin habe Waren beiseite gebracht, aus, um von der Zerstörung des für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderlichen Vertrauens auszugehen (vergl. mit vielen weiteren Hinweisen LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 31.1.1985 – 5 Sa 340/84 – auf Seite 3 der Entsche...

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