Entscheidungsstichwort (Thema)
Verdachtskündigung
Leitsatz (amtlich)
Die Beschränkung des Instituts der Verdachtskündigung auf Arbeitnehmer mit besonderer Vertrauensposition ist nicht gerechtfertigt. Jedes Arbeitsverhältnis ist auf Treue und Fürsorge aufgebaut und setzt daher im Gegensatz zu anderen Schuldverhältnissen das Vorhandensein eines besonderen Vertrauenstatbestandes voraus.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Urteil vom 12.04.1984; Aktenzeichen 2a Ca 252/84) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 12. April 1984 – 2a Ca 252/84 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 28.700,– DM festgesetzt.
Gründe
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung, die die Beklagte der Klägerin am 27. Januar 1984 erklärt hat.
Hinsichtlich des Tatbestandes wird gemäß § 543 ZPO auf das angefochtene Urteil nebst seinen Verweisungen und die im Berufungsrechtszuge gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist dem Werte des Beschwerdegegenstandes nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
Die Berufung konnte jedoch aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils keinen Erfolg haben. Insoweit bezieht sich die Berufungskammer gemäß § 543 ZPO in vollem Umfange auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.
Die Angriffe der Berufung können eine abweichende Beurteilung der Sach- und Rechtslage nicht rechtfertigen.
Das Arbeitsgericht ist bei seiner rechtlichen Würdigung zutreffend von § 626 Abs. 1 BGB ausgegangen. Es hat den Verdacht einer strafbaren Handlung zutreffend als Kündigungsgrund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB herausgestellt, denn der wichtige Grund kann auch aus dem Verdacht einer strafbaren Handlung hergeleitet werden, wenn es gerade der Verdacht ist, der das zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen in die Rechtschaffenheit des Arbeitnehmers zerstört oder in anderer Weise zu einer unerträglichen Belastung des Arbeitsverhältnisses führt (BAG AP 1, 5, 9, 13 zu § 626 BGB –Verdachtskündigung–; LAG Niedersachsen Urteil vom 12.2.1981 – 8 Sa 86/80 –; LAG Schleswig-Holstein Urteil vom 19. März 1984 – 5 Sa 755/83 –).
Das Arbeitsgericht hat richtig erkannt, daß das Verhalten der Klägerin, das sie am 14.1.1984 gezeigt hat, als auch die häufigen Umtauschvorgänge ohne Bon bei der Beklagten den dringenden Verdacht erwecken mußten, daß die Klägerin zumindest den Umtauschvorgang vom 14.1.1984 fingiert hat.
1. Das Arbeitsgericht hat sich an den strengen Anforderungen orientiert, die nach der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte und des Bundesarbeitsgericht für das Vorliegen einer Verdachtskündigung zu prüfen sind. Unzutreffend ist die Auffassung der Berufung, die Verdachtskündigung könne nur dann zugelassen werden, wenn der Arbeitnehmer eine besondere Vertrauensposition einnehme. Die Klägerin ist dabei der Auffassung von Moritz (NJW 1978 402–406) gefolgt. Dieser will das Institut der Verdachtskündigung eingrenzen auf Arbeitnehmer besonderer Vertrauenspositionen, und zwar auf solche Arbeitnehmer, die einerseits selbst ausschließlich Kontrollfunktionen wahrnehmen, wie Wach- und Schließpersonal, und andererseits hervorgehobene Positionen als leitende Angestellte, Geschäftsführer und ähnliches innehaben. Diese Beschränkung der Verdachtskündigung auf besondere Vertrauenspositionen ist nicht gerechtfertigt. Jedes Arbeitsverhältnis ist auf Treue und Fürsorge aufgebaut und geht daher im Gegensatz zu den meisten anderen Schuldverhältnissen von einem besonderen Vertrauenstatbestand aus. Auch trägt die Abgrenzung zwischen besonderen Vertrauenspositionen und normalen Vertrauensverhältnissen nicht zur Klärung bei, sondern löst allenfalls Zweifel an der Zulässigkeit der Verdachtskündigung aus (vgl. Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz – Hillebrecht § 626 Rdnr. 175). Vielmehr reicht der schwerwiegende Verdacht der Unterschlagung bei einer Verkäuferin, die eine Kasse bedient, der begründete Verdacht, der Arbeiter habe an der Stempeluhr manipuliert oder der schwerwiegende Verdacht, die angestellte Verkäuferin habe Waren beiseite gebracht, aus, um von der Zerstörung des für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderlichen Vertrauens auszugehen (Gemeinschaftskommentar zum KSchG – Hillebrecht a. a. O. mit weit. Hinw.; ebenso bejaht im Falle eines Buchhalters bei Privateinkäufen über die Firma durch LAG Schleswig-Holstein Urteil vom 19.3.1984 – 5 Sa 579/83 –; eines Clerks i. V. mit der Belieferung von Schiffen durch Urteil des LAG Schleswig-Holstein vom 19.3.1984 – 5 Sa 755/83 –, eines Werkmeisters in einem Automobilwerk wegen dringenden Diebstahlsverdachts durch LAG Niedersachsen Urteil vom 12.2.1981 – 8 Sa 86/80 –). Die von der Klägerin angezogene Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb kann allenfalls insoweit eine Bedeutung haben, als Arbeitnehmer, die eine leitende Stellung innehaben, wegen Ver...