REVISION / RECHTSBESCHWERDE / REVISIONSBESCHWERDE ZUGELASSEN NEIN

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterschrift eines Rechtsanwalts, Berufung, Berufungsbegründung, Unzulässigkeit des Rechtsmittels bei mangelhafter Unterschrift, faires Verfahren, Rechtsstaatsprinzip, jahrelange Übung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Berufung ist nach § 519 b ZPO als unzulässig zu verwerfen, wenn die Berufungsschrift oder/und die Berufungsbegründungsschrift lediglich mit einem Schriftgebilde unterzeichnet ist, das nicht nur nicht lesbar ist, sondern auch bei Kenntnis des Namens des Unterzeichners keinen Bezug zum Unterzeichnernamen aufweist. Der Mangel der Unterschrift kann aber dann nicht zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels führen, wenn derselbe Spruchkörper des Gerichts die Ordnungsmäßigkeit der Unterschrift der Prozeßbevollmächtigten jahrelang positiv beurteilt hat. Der vom Bundesverfassungsgericht hierzu angeführte Anspruch auf ein sog. faires Verfahren kann aber nur eingreifen, wenn die Häufigkeit der bei derselben Kammer geführten Rechtsstreitigkeiten der nämlichen Prozeßvertreter dergestalt ist, daß von einer einen Vertrauenstatbestand aufbauenden Übung auszugehen ist.

 

Normenkette

ZPO §§ 519b, 295; ArbGG § 11 Abs. 2, § 64; GG Art. 2 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Husum (Urteil vom 29.03.1990; Aktenzeichen 2 Ca 842/89)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Husum vom 29. März 1990 – 2 Ca 842/89 – wird auf ihre Kosten verworfen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung und um Vergütungsansprüche.

Das Arbeitsgericht hat dahin entschieden:

Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 16. November 1989 bis einschließlich zum 31. Dezember 1989 fortbestanden hat.

Die Beklagte wird verurteilt, 6.075,– DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 1. Jan. 1990 an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert wird auf 9.075,– DM festgesetzt.

Gegen das ihr am 5. April 1990 zugestellte Urteil richtet sich die am 3. Mai 1990 eingelegte Berufung der Beklagten.

Die Berufungsschrift trägt im Briefkopf die Angabe „Rechtsanwälte Erich J. G., Rainer H. W.” und unter der Unterzeichnung den maschinenschriftlichen Hinweis „Rechtsanwalt”. Die Berufungsschrift ist mit folgendem Schriftgebilde unterzeichnet:

Rechtsanwalt

Die Begründungsschrift vom 31.05.1990 trägt den gleichen Briefkopf und ist so unterschrieben:

Rechtsanwalt

Unter dem 31. Juli 1990 sind die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten auf die Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung hingewiesen worden. Sie meinen, daß es sich um die Identität der Unterzeichnenden ausreichend kennzeichnenden individuelle Schriftzüge handele. Die Unterschrift unter der Berufungsschrift stamme eindeutig von Herrn Rechtsanwalt G und die unter der Berufungsbegründung stamme eindeutig von Herrn Rechtsanwalt W.. Ihre Unterschriften würden seit Jahr und Tag von den Gerichten, auch dem Landesarbeitsgericht, unbeanstandet hingenommen.

Die Beklagte beantragt,

unter Änderung des Urteils vom 29.03.1990 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Parteien wird im übrigen auf den Inhalt der in der Berufung gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, ausgenommen der Schriftsatz der Beklagten vom 07.08.1990; dieser Schriftsatz ist am Verhandlungstage dem Landesarbeitsgericht zugegangen, der erkennenden Kammer jedoch erst um 13.30 Uhr – nach Schluß der mündlichen Verhandlung – übergeben worden.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung war nach § 519 b ZPO als unzulässig zu verwerfen. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren müssen die Berufungsschrift und die Berufungsbegründungsschrift von einem nach § 11 Abs. 2 ArbGG postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten handschriftlich und eigenhändig unterzeichnet worden sein (§ 64 Abs. 5 ArbGG i. V. m. § 518 Abs. 4, 519 Abs. 5, § 130 Nr. 6 ZPO). Die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten sind als Rechtsanwälte im arbeitsgerichtlichen Verfahren postulationsfähig (§ 11 Abs. 2 ArbGG). An der Unterschrift eines Rechtsanwalts fehlt es aber sowohl bei dem Berufungsschriftsatz als auch bei dem Berufungsbegründungsschriftsatz: Die Unterschrift muß nicht lesbar, aber ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender Schriftzug sein, der einen individuellen Charakter aufweist, der es ermöglicht, sich von anderen Unterschriften zu unterscheiden und die Nachahmung zu erschweren und der seine Entstehung aus der ursprünglichen Schrift in Buchstaben noch erkennen läßt (Thomas-Putzo, 12. Aufl., § 129 Anm. 2 a mit Hinweis auf BGH in NJW 75, 1705).

Weder eine Buchstabenfolge, die sich als gewollte Abkürzung darstellt noch eine lediglich gekrümmte Linie, auch wenn der Rechtsanwalt sie als seine Unterschrift anerkennt, reichen aus (BGH in NJW 1974 1090 und NJW 1967, 2310). Dem entspricht auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (vgl. Beschluß vom 25.03.1983, III R 64/82) und insbesonder...

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