Entscheidungsstichwort (Thema)
Unionsrecht und nationales Recht bei Übertragung von Resturlaub. Urlaubsverfall bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Tarifliches Urlaubsregime
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Europäische Gerichtshof sieht es als Sache des nationalen Rechts an, Übertragungszeiträume für einen Urlaubsanspruch mit begrenzender Wirkung festzulegen. Ein Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG liegt erst dann vor, wenn diese Übertragungszeiträume auch für Fallgestaltungen gelten, in denen der Arbeitnehmer aus krankheitsbedingten Gründen tatsächlich nicht in der Lage war, den Urlaub im Urlaubsjahr oder im Übertragungszeitraum zu nehmen.
2. Ist der Arbeitnehmer durch krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit gehindert, seinen Urlaub im Urlaubsjahr oder im Übertragungszeitraum zu nehmen, verfällt der Urlaubsanspruch nach der Rechtsprechung des EuGH nach 15 Monaten.
3. Die Tarifvertragsparteien sind befugt, hinsichtlich Befristung und Übertragung und damit auch bezüglich des Verfalls des Urlaubs von § 7 Abs. 3 BUrlG abweichende Regelungen zu treffen. Mit der Tarifregelung in § 26 TV-L haben sie sich vom gesetzlichen Fristenregime gelöst und in zulässiger Weise Befristung, Übertragung und Verfall des Urlaubsanspruchs abweichend vom BUrlG eigenständig geregelt.
Normenkette
RL 2003/88/EG Art. 7 Abs. 1; BUrlG § 7 Abs. 3, § 13 Abs. 1 S. 1; BGB § 366 Abs. 2; TV-L § 26 Abs. 2a, § 40 Nr. 7
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Entscheidung vom 03.05.2018; Aktenzeichen 5 Ca 115 c/18) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 03.05.2018 - 5 Ca 115 c/18 - wird das Urteil abgeändert:
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits (beide Instanzen).
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um das Bestehen von Resturlaubsansprüchen aus dem Jahre 2016.
Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.10.1980 als Elektromechaniker mit einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von 3.000,00 Euro beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers findet der TV-L Anwendung.
§ 26 Abs. 2 a TV-L lautet:
"Im Falle der Übertragung muss der Erholungsurlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres angetreten werden. Kann der Erholungsurlaub wegen Arbeitsunfähigkeit oder aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht bis zum 31. März angetreten werden, ist er bis zum 31. Mai anzutreten."
§ 40 Nr. 7 TV-L hat zur Urlaubsregelung des § 26 Abs. 2 a) TV-L für Beschäftigte an Hochschulen folgendes geregelt:
"Im Falle der Übertragung muss der Erholungsurlaub bis zum 30. September des folgenden Jahres genommen werden."
Der Kläger überträgt seit einer längeren Arbeitsunfähigkeit im Jahre 1998 regelmäßig seinen jeweiligen Jahresurlaub in das Folgejahr.
Der Kläger war während der Jahre 2016 und 2017 in folgenden Zeiten arbeitsunfähig erkrankt:
- 26.09.2016 bis 30.09.2016 (5 Tage)
- 07.11.2016 bis 09.12.2016 (25 Tage)
- 21.08.2017 bis 20.10.2017 (4 Tage).
Im Jahre 2017 hatte der Kläger bereits 8 Urlaubstage aus 2016 in Anspruch genommen, nämlich bis 30.09.2017 vom
- 22. bis 24.03.2017 (3 Tage)
- 28.04.2017 (1 Tag)
- 26.05.2017 (1 Tag)
- 16. bis 18.08.2017 (3 Tage).
Außerdem hatte der Kläger nach dem 30.09.2017 noch am 30.10.2017 (1 Tag) und vom 27. bis 29.12.2017 (3 Tage) Urlaub.
Die restlichen 22 Urlaubstage seines behaupteten Urlaubsanspruchs aus dem Jahre 2016 wollte er in der Zeit vom 31.08.2017 bis einschließlich 29.09.2017 nehmen. Dieser Urlaub ist ihm genehmigt worden. Der Kläger konnte den Urlaub jedoch wegen der oben dargestellten Erkrankung im Zeitraum vom 21.08.2017 bis 20.10.2017 nicht nehmen.
Im Jahre 2018 hatte der Kläger vom 26.02.2018 bis zum 27.03.2018 22 Tage Urlaub. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass dieser in 2018 genommene Urlaub sein Resturlaub im Umfang der ihm noch zustehenden 22 Tage aus dem Jahre 2016 gewesen sei. Der Resturlaubsanspruch aus dem Jahre 2016 verfalle erst am 31.12.2018, da er seinen Urlaub wegen der Arbeitsunfähigkeit nicht bis zum 30.09.2017 habe nehmen können und sich deshalb der Übertragungszeitraum um 15 Monate verlängere. Entsprechendes ergebe sich auch aus einem Infoheft des Personalrates aus dem Jahre 2016. Im Übrigen folge das Schicksal des Resturlaubs den allgemeinen Regeln des folgenden Urlaubsjahres, so dass sein Urlaub aus 2016 erst am 30.09.2018 verfalle.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass es sich bei dem von der Beklagten dem Kläger gewährten Urlaub im Zeitraum vom 26.02.2018 bis einschließlich 27.03.208 um 22 Resturlaubstage aus dem Jahr 2016 handele.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass der Urlaubsanspruch des Klägers aus dem Jahre 2016 am 30.09.2017 verfallen sei. Die Rechtsprechung des EuGHs zur Übertragung des Urlaubs mit einem 15-monatigen Übertragungszeitraum beziehe sich nur auf Fälle der dauerhaften Arbeitsunfähigkeit. Der Kläger ...